«Microsoft hat noch viel Überkapazität»

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Dass Windows weniger Ressourcen verbraucht und Azure-Rechenzentren weniger Strom verschwenden, ist der Verdienst von Josh Henretig und seinem Team. Er koordiniert weltweit die Nachhaltigkeitsbeauftragten von Microsoft – auch in der Schweiz. Greenbyte.ch hat Henretig exklusiv bei Microsoft zum Interview getroffen.

Das Hauptquartier in Redmond dient als Prototyp für Microsofts Nachhaltigkeit. (pd)

Als Group Manager für Environmental Sustainability bei Microsoft leitet der Kalifornier Josh Henretig sechs Mitarbeitende in Microsofts Hauptquartier in Redmond (USA). Zudem koordiniert er die Nachhaltigkeitsbeauftragten in den Landessitzen von Microsoft. Henretigs Chef ist Rob Bernard, der Chief Environmental Strategist von Microsoft. Bernard sieht das grösste Potential von Nachhaltigkeit in Daten. «Daten helfen, die Umwelt zu analysieren und uns nachhaltiger zu gestalten. Das Handy kennt meinen Aufenthaltsort, mein Büro aber nicht. Dies lässt sich mit Datenaustausch schnell ändern. Unsere Rechenzentren eignen sich sehr gut dazu», sagte Bernard anlässlich eines Vortrags im Hub Zürich.

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Josh Henretig, General Manager für Environmental Sustainability bei Microsoft. (pd)

Microsoft will diese Informationen speichern und zum Geschäft machen, indem sie die Daten über das eigene Partner-Netzwerk für Städte und Geschäftskunden verfügbar halten. Städte sollen in Zukunft zu Daten-Kunden von Microsoft werden. Dies ist eine komplett neue Strategie des Software-Riesen, der sich immer mehr den Services widmet. Microsoft hat dies noch nie so kommuniziert, auch nicht Bernard. Es ist somit noch Spekulation unsererseits aufgrund der Fakten und Aussagen von Bernard und Henretig. Auf offene Daten angesprochen, reagierte Bernard eher missmutig und verweis mit Nachdruck auf das Recht auf Privatsphäre; so, als ob Microsoft besser wüsste, wie mit Daten umzugehen sei, als dies bei offenen Daten für die Gesellschaft der Fall wäre.

Greenbyte.ch hat Josh Henretig für ein exklusives Interview bei Microsoft Schweiz in Wallisellen getroffen.

Greenbyte.ch: Wo sehen sie die grössten Herausforderungen für eine grünere ICT?

Josh Henretig: In ersten Linie muss der Stromverbrauch reduziert werden. Ausserdem braucht es den Zugang zu sauberen erneuerbaren Energien.

Wie wollen sie dies erreichen?

Die IT-Ressourcen in Rechenzentren sind immer noch dramatisch unausgenutzt. Mit Virtualisierung…

Aber Virtualisierung ist kein neues Thema mehr!

Weltweit sind erst 10 bis 20 Prozent aller Applikationen virtualisiert. Mit Virtualisierung kann noch sehr viel Strom gespart werden. Wir sehen das in unseren Rechenzentren.

Wie hoch ist der Virtualisierungsgrad in Microsofts Rechenzentren?

Ich kann keine Zahlen nennen; wir sind sicher besser als viele andere. Aber noch nicht so effizient, wie wir es sein könnten.

Was sind ihre Ziele?

Wir wollen das Beste aus den Ressourcen machen. Immer mehr unserer Produkte werden transferiert in Online-Services und immer mehr Kunden müssen sie nutzen können. Eine der grössten Herausforderungen ist nur schon die interne und externe Ausbildung, um über Regeln und Musterlösungen mehr Effizienz einzuführen und gleichzeitig das Wachstum sicherzustellen. Wir sind in einer schnell wachsenden Position mit unseren Rechenzentrum-Services. Es gibt noch viel Überkapazität. Das ist immer noch eine ernste Angelegenheit.

Das Rechenzentrum in Dublin stand auch schon still wegen Blitzschlag, arbeitet aber sonst mit effizienter Luftkühlung und Strom aus Wasserkraft. (pd)

Wo können sie sich noch weiter verbessern?

Zusätzlich zur Auslastung ist das Umfeld wichtig: Hitze, Kühlung und Wasser. Wir haben alles auf das Nötige reduziert. Im RZ in Dublin beispielsweise kommen wir ohne Klimaanlage aus, es reicht die Aussenluft zum Kühlen. Und viele unserer modularen Container-RZ sind genauso gebaut. Dadurch halbierte sich der Stromkonsum gegenüber traditionellen RZ. Zudem beziehen wir in Dublin den ganzen Strom aus erneuerbaren Energien – vorwiegend aus Wasserkraft.

Wie sind ihre Partner involviert?

Das beste Beispiel sind modulare Rechenzentren. Wir arbeiteten hart mit den Herstellern dieser Container zusammen, um unsere Spezifikationen durchzubingen, dadurch konnten wir einen höhere Stufe von Effizienz erreichen.

Wie unterstützt Microsoft den grünen Prozess?

Wir helfen die gewonnene Erfahrung zu nutzen und als Service weiterzugeben, um die Stromlast zu senken. Emissionen wie CO2 und Wasser sind weitere Themen. In Texas kühlen wir ein RZ mit dem Abwasser der Landwirtschaft. Unser Einfluss fliesst in branchenweite Konsortien wie Green Grid, um mit unserer Erfahrung aus Green IT die ganze Branche weiterzubringen.

Wie hoch ist ihr Einfluss auf Windows 8 und die Entwicklung von Software?

Wir haben es mit einem Team von sechs Leuten geschafft, dass Energieeffizienz in die Designkriterien von allen Produkten einfliesst. Das bedeutet: Jeder Senior Manager muss beachten, dass das Endprodukt nicht mehr Strom als nötig verbraucht. Was unser Einfluss bei Windows 8 sein wird, wird sich zeigen. Windows 7 als Beispiel ist sehr effizient voreingestellt. Bei Windows XP war es schwer, um es energieeffizient einzustellen; bei Windows 7 ist dies genau umgekehrt: Man muss selbst die Energie-Einstellungen verändern, um mehr Strom zu verbrauchen. Trotzdem: Einige Programme können die ganzen Einstellungen über den Haufen werfen. Beim Betrachten eines Youtube-Videos lief der Rechner früher mit voller Leistung – weil der Flash-Player dies verlangte. Unsere Abteilung setzte bei Adobe Druck auf. Seither ist das Problem behoben.

Die Azure-Rechenzentren sind strategisch wichtig für Microsofts Wachstum. Das Bild stammt vom Herbst 2009. (pd)

Wie wollen sie Entwickler und Partner zu mehr Nachhaltigkeit überreden?

Wir müssen die Partner dazu bringen, die Geschäftschancen von Nachhaltigkeit zu verstehen. Wir benötigen weltweit mehr Stromeffizienz, weil immer mehr Menschen in Städten wohnen. Die Ressourcen dort sind begrenzt. IT ist der Schlüssel, um Nachhaltigkeit zu ermöglichen. Technologie ist der heutigen Gesellschaft um Jahre voraus. Unsere Branche kann helfen, mit den nötigen Werkzeugen und Partnern diesen Graben zu schliessen.

Wie ist ihr Eindruck von der Schweiz in Bezug auf Nachhaltigkeit?

Ich bin zum ersten Mal in der Schweiz und fühle mich wie weggeblasen von der Fülle an Innovationen und Kreativität – und von der sauberen Luft. Dieser Reichtum an Natur und Wasser ist ein grosser Luxus. Ich sehe mit Freude, wie die Schweizer Unternehmen diese Ressourcen wertschätzen und sich für deren Erhalt verantwortlich fühlen. Hier habe ich einen leichten Job. Ich und meine Kollegen profitieren sehr von der Arbeit der Nachhaltigkeitsverantwortlichen in den einzelnen Ländern. In Indien sieht es wieder ganz anders aus als in der Schweiz: da findet man schnell sehr viele Leute, muss aber bei wenigen, wichtigen  Leuten durchkommen, um überhaupt etwas zu bewegen.

(Interview: Marco Rohner)

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Marco Rohner
Journalistischer Unternehmer der neu erfindet, wie Geschichten in einer allzeit verbundenen Welt erzählt werden. Er ist Herausgeber von Greenbyte.ch, dem weltweit exklusiven Online-Magazin über den nachhaltigen Nutzen von Informationstechnologie, gegründet im Jahr 2011 und 500'000 Leser in den ersten drei Jahren erreicht.