Schweizer Forscher haben erstmals die Ladeverteilung innerhalb eines einzelnen Moleküls abgebildet. Der Ziel bei IBM Research sind Schalt-Elemente auf der Nanoskala und funktionale molekulare Strukturen, die zum Beispiel für die Computertechnologie, die Solartechnik oder zum Energie speichern funktionieren.
Ladungen innerhalb eines einzelnen Atoms wurden schon vorher gezeigt, aber der Tanz eines komplexen Moleküls ist markant schwieriger. In der Fachzeitschrift Nature Nanotechnology berichten Fabian Mohn, Leo Gross, Nikolaj Moll und Gerhard Meyer von IBM Research in Zürich, wie sie mit Hilfe der so genannten Kelvin-Rasterkraftmikroskopie erstmals die Ladungsverteilung innerhalb eines einzelnen Moleküls direkt abbilden konnten, in diesem Fall Naphthalocyanin. Dies gelang bei tiefen Temperaturen und Ultrahochvakuum.
Die Forscher haben in den letzten Jahren bereits bahnbrechende Fortschritte auf dem Gebiet der Oberflächenmikroskopie erzielt. So konnten sie erstmals die Elektronenorbitale einzelner Moleküle mit dem Rastertunnelmikroskop (STM) abbilden und sogar die chemische Struktur einzelner Moleküle mit dem Rasterkraftmikroskop (AFM) auflösen.
«Diese Arbeit demonstriert eine bedeutende neue Fähigkeit», unterstreicht Prof. Michael Crommie von der renommierten University of California in Berkeley (USA). «Die Ladungsverteilung ist entscheidend, um zu verstehen, wie sich Moleküle in unterschiedlichen Umgebungen verhalten. Ich erwarte, dass diese Technik künftig grosse Bedeutung in Gebieten haben wird, in denen Physik, Chemie und Biologie zusammentreffen.»
Ein zusätzlicher Informationskanal
«Unsere Technik bietet einen zusätzlichen Informationskanal, der hilft, das Wissen über die Physik auf der atomaren und molekularen Skala zu erweitern und die Entwicklung neuer funktionaler und massgeschneiderter Nano-Bauelemente voranzubringen», erklärt Fabian Mohn, Doktorand in der IBM Forschungsgruppe Physics of Nanoscale Systems.
Die Technik könnte zum Beispiel verwendet werden, um das Trennen und den Transport von elektrischer Landung von zwei oder mehreren Molekülen zu untersuchen, so genannten Ladungs-Transfer-Komplexen. Sie werden intensiv erforscht zum Speichern von Strom und für Photovoltaik.
«Dies ist ein wichtiger Schritt, mit der Rastersondenmikroskopie molekularer Systeme auf atomarer Skala zu kontrollieren und zu erforschen», sagte Gerhard Meyer. Für seine herausragenden Leistungen auf diesem Gebiet wurde Meyer kürzlich mit einem der renommierten Advanced Grants des Europäischen Forschungsrats (ERC) ausgezeichnet. Diese ERC Advanced Grants werden ausschliesslich an etablierte Spitzenforscher in Europa vergeben.
Forscher messen die Atome mit Eigenbau
Wird die Spitze eines Rastersondenmikroskops sehr nahe über eine leitende Probe gebracht, so entsteht ein elektrisches Feld aufgrund der unterschiedlichen elektrischen Potenziale von Spitze und Probe. Durch Anlegen einer Spannung an die Spitze, die exakt dieses elektrische Feld kompensiert, kann die Potenzialdifferenz gemessen und dadurch die Ladungsverteilung bestimmt werden.
Den IBM Forschern gelang es nun, die Potenzialdifferenz für tausende einzelner Messpunkte über einem Molekül zu bestimmen. Dies ergab erstmals ein präzises Bild der Ladungsverteilung innerhalb des Moleküls. Bei diesem Kelvin-Rasterkraftmikroskopie genannten Verfahren wird dabei nicht direkt die elektrische Ladung gemessen, sondern das elektrische Feld, das von dieser Ladung erzeugt wird. Dieses variiert lokal mit der Ladungsverteilung. Die hellen und dunklen bzw. roten und blauen Bereiche in den Abbildungen entsprechen dabei den Regionen negativer und positiver Ladung im Molekül.
Um die erstmalige submolekulare Auflösung der Ladungsverteilung zu erreichen, waren eine sehr hohe thermische und mechanische Stabilität sowie atomare Präzision über den gesamten Zeitraum des Experiments von mehreren Tagen notwendig. Dichtefunktionaltheorie-Berechnungen, die in Zusammenarbeit mit Nikolaj Moll von der Forschungsgruppe Computational Sciences durchgeführt wurden, untermauerten die experimentellen Resultate.
Mit Rastersondenmikroskopen tief in den Nanokosmos vordringen
«Mit der Entwicklung der Rastersondenmikroskopie und verwandten Techniken in den 1980er Jahren wurde die Tür zum Nanokosmos weit aufgestossen», heisst es im Einführungsartikel der ersten Ausgabe von Nature Nanotechnology im Jahr 2006. Das STM und das AFM bilden zwei herausragende Instrumente für die Forschung auf atomarer und molekularer Skala. Das STM wurde 1981 von Gerd Binnig und Heinrich Rohrer am IBM Forschungslabor Zürich erfunden und ermöglichte es erstmals, einzelne Atome auf einer Oberfläche sichtbar zu machen. Für diese bahnbrechende Entwicklung erhielten die beiden Wissenschaftler 1986 den Nobelpreis in Physik.
(Marco Rohner)
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