Kommentar: Zuckerberg hat Apple im Visier

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Mark Zuckerberg lehnt sich mit «Facebook Home» gegen Apple auf. Er stellt den Datenschutz erneut auf die Probe. Die Android-Modell-Strategie der Smartphone-Hersteller profitiert. 

Mark Zuckerberg - Peter Chou- Facebook Home

Facebook-CEO Mark Zuckerberg stellt Facebook Home vor mit HTC-CEO Peter Chou (l.) sowie AT&T Mobility President und CEO Ralph de la Vega.

«Wie wäre es, wenn ein Handy nicht um Apps herum aufgebaut ist, sondern Menschen in den Mittelpunkt stellt? Wir entwickeln kein Telefon und kein neues Betriebssystem», betonte Zuckerberg. Steve Jobs würde sich bei solchen Aussagen im Grab umdrehen. Der Apple-Mitgründer propagierte immer die Einheit von Soft- und Hardware mit kompromisslos auf den Nutzer ausgerichtetem Design – und stellte ebenso kompromisslos sicher, dass der Nutzer vom Hersteller abhängig ist, damit abgesehen vom Design auch das Business stimmt. 

Android ist als Betriebssystem so offen (und wird es laut Google auch so bleiben), dass Facebook die zusätzlichen Funktionen einbetten konnte. Als «Launcher», eine sogenannte Benutzeroberfläche, ist «Facebook Home» auf jedem Android-Gerät lauffähig. Im geschlossenen iPhone-System geht das bis heute nicht – ausser Apple würde sich zu mehr Offenheit bewegen und App-Entwicklern den Zugriff erlauben. Der Faceboook-Chefentwickler Corey Ondrejka sagte nicht, ob es dazu Kontakte zwischen Facebook und Apple gibt. Er wird auf Granit gestossen sein. Microsoft-CEO Steve Balmer schweigt. Versucht Facebook nun Bing auf Android zu integrieren? Um für Home-Nutzer die Standardsuche von Android zu ändern, wäre der Grundstein nun gelegt.

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«Home» dringt tief ins System ein

Facebook Home - Mark Zuckerberg

Facebook Home übernimmt die Kontrolle des Geräts. (pd)

Als Soft- statt als Hardware kann Facebook jedoch den Auftritt des Telefons deutlich prägen und verändern. Die Applikation dringt tief ins System und ersetzt den «Homescreen» des Gerätes. Auf diese Weise sind dort nicht die üblichen App-Icons anderer Anbieter dargestellt, sondern Messages und Bilder von Facebook-Kontakten. Home erfordert dazu beinah uneingeschränkten Zugriff auch das Telefon. Das wird bei vielen Nutzern, die ihre sehr persönlichen Daten wie SMS und Anrufe nicht gern teilen, schlecht ankommen.

Facebook profitiert von der Offenheit des von Google getriebenen Android-Betriebsystems, das seinerseits auf GNU/Linux aufbaut und davon profitiert. Für eine breite Akzeptanz muss Facebook deshalb, wie andere Launcher-Anbieter auch, ebenfalls offen sein. Dabei können Nutzer beispielsweise direkt vom Hauptbildschirm Kommentare abgeben oder Nachrichten beantworten.  Am Bildschirmrand erscheinen jederzeit Hinweise auf Facebook-Nachrichten. 

«Facebook Home» stösst auf Hindernisse bei Herstellern

Für Smartphone-Hersteller hat Facebook ein Programm eingerichtet, mit der die Software vorinstalliert werden kann. HTC hat als erster Hersteller angebissen und bringt das Modell HTC First noch im April. Es wird ein harter Brocken für Facebook sein, um die Akzeptanz von Smartphone-Herstellern zu gewinnen.

Die Entwicklung des Android-Systems wird von Google geleitet. Dies garantiert eine einheitliche Plattform für alle Geräte, damit alle Apps bei jedem Hersteller laufen. Die Hersteller können sich deshalb nur noch über die Oberfläche, den “Launcher”, und exklusive Apps differenzieren. Ganz selten enthalten die Smartphones auch Spezialchips. Die mangelnde Differenzierung hat auch zu einer Zersplitterung der Android-Versionen geführt. Hersteller veröffentlichen billige Handys mit alten Android-Versionen. Am andern Ende des Angebots werden ehemalige Top-Modelle schon nach ein bis zwei Jahren nicht mehr mit neuen Versionen unterstützt, um die Besitzer zum Kauf des neuen Geräts zu massregeln.

Dies hat zu einer grossen Hacker-Gemeinde geführt, die Geräte von ihrer Originalsoftware befreit und auch alte Geräte noch mit neuesten Android-Versionen ausstattet, solange die Hardware nach wie vor dazu fähig ist. Auf XDA-Developers findet jeder Smartphone-Besitzer alles zur digitalen Befreiungssaktion. Hersteller wie Sony haben die Zeichen erkannt und geben die Firmware ihrer Geräte für die Entwickler frei.

Zersplitterung von Android stellt Hürde dar

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40 Prozent der Besucher in Google Play Store haben das veraltete Android 2.3 “Gingerbread” installert. (pd)

App-Entwickler klagen, dass zuviele Versionen im Markt sind, und dies die Entwicklung erschwere. Derzeit ist Android 4.2.2 “Jelly Bean” aktuell, viele Geräte laufen aber noch mit 4.0 “Ice Cream Sandwich” oder Android 2.3.5 “Gingerbread”. Letzteres wurde erstmals am im Dezember 2010 veröffentlicht, mit Updates bis Herbst 2011. Der Marktanteil per 2. April beträgt gemäss Google 4o Prozent. Fast alle Hersteller verkauften Handys mit Gingerbread noch bis vor rund einem Jahr. Sie nutzen die älteren Versionen für zur Differenzierung ihrer Produktangebots. Google sind diese Gebaren der Hersteller seit Beginn ein Dorn im Auge, weil sie den Entwicklern und dem Geschäft von Google das Leben schwer machen. Der mobile Chrome-Browser läuft erst ab Version 4.0. Die Hälfte der Android-Nutzer müssen aber vorerst darauf verzichten. Ob diese Hersteller jetzt wegen Facebook ihre Eigengewächs-Software für ihre Top-Modelle aufgeben, wird sicher nicht passieren. Eher freuen sie sich über die zusätzliche Differenzierung, um mittelklassige Handys in den Massenmarkt zu werfen.

Das neue Smartphone-Modell von HTC wird mit der Software ausgeliefert und in den USA zeitgleich eingeführt. US-Kunden können es für 100 Dollar beim Mobilfunkanbieter AT&T kaufen – die Hälfte des Preises der am weitesten verbreiteten Apple- und Samsung-Smartphones. In Europa kündigten die Unternehmen zunächst die Firma Orange als Mobilfunk-Partner an. Für die Schweiz steht sowieso noch alles offen, weil Orange Schweiz Anfang 2012 verkauft wurde.

Der richtige Weg

In jüngster Zeit mehren sich Berichte, dass die Nutzung von Facebook schwächelt, doch gleichzeitig nutzen immer mehr Facebook über Smartphones. Trotzdem ist «Home» für Facebook als richtigen Weg, sich über Software am Markt zu positionieren, statt über Hardware. So kann Facebook die Dynamik des meistverbreiteten Smartphone-Betriebssytems nutzen. Facebook kann mit «Home» sicherlich stärker von der Dynamik des Mobilfunk-Marktes profitieren und präsenter sein als mit einer App.

(Marco Rohner)

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Marco Rohner
Journalistischer Unternehmer der neu erfindet, wie Geschichten in einer allzeit verbundenen Welt erzählt werden. Er ist Herausgeber von Greenbyte.ch, dem weltweit exklusiven Online-Magazin über den nachhaltigen Nutzen von Informationstechnologie, gegründet im Jahr 2011 und 500'000 Leser in den ersten drei Jahren erreicht.