«Programmiertes Verschwinden» heisst die Ausstellung im Bolo-Museum in Dorigny bei Lausanne. Das 2002 gegründete Museum besitzt mehrere tausend Computer, darunter drei Supercomputer von Cray und eine soeben von IBM gestiftete, funktionstüchtige Blue Gene/P des «Human Brain Project».
Diejenigen unter uns, die diese Entwicklung miterlebt haben, werden mit Wehmut an die Zeit zurückdenken, als sie sich mit Teletypes, grünen Bildschirmen, Lochkarten und Riesendisketten herumgeschlagen haben. Computermodelle verschwinden aus der Landschaft so schnell wie sie erscheinen, jedes Jahr werden sie durch neuere, modernere, leistungsfähigere Pendants ersetzt. Von den erfolgreichsten Herstellern des zwanzigsten Jahrhunderts haben nur wenige überlebt; handle es sich um Supercomputer, Server oder Personal-Computer. Die Kommunikationsmöglichkeiten, die das Internet uns bietet und die zahlreichen Gadgets auf unseren Smartphones, so steht es in der Präsentationsbroschüre des Bolo-Museums, lassen uns leicht die zahlreichen Etappen vergessen, die zur numerischen Welt, in der wir heute leben geführt haben. Ohne die heute veralteten Computer, ohne die Pioniere, die sie entwickelt und fabriziert haben, hätten wir den gegenwärtigen Zustand nie erreicht. Die Maschinen von gestern zeugen im Museum vom beschrittenen Weg und weisen in die Zukunft.
Pfade des Verschwindens
Die Computer verschwinden aber nicht nur weil sie laufend durch neuere Modelle ersetzt werden. Die Ausstellung zeigt fünf Pfade des Verschwindens:
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Miniaturisierung: die gigantischen Maschinen des zwanzigsten Jahrhunderts sind derart miniaturisiert worden, dass man sie bald nicht mehr mit dem blossen Auge sehen wird. Gleichzeitig haben sich ihre Leistung, Geschwindigkeit und Kapazität exponentiell erhöht.
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Tarnung: Der Computer versteckt sich in Alltagsobjekten wie Waschmaschinen, Zahnbürsten, Uhren, Telefone, Bücher. Die Technik verschwindet unter der Verpackung.
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Vergessenheit: Die Komplexität der Technik verschwindet hinter Schnittstellen, die uns erlauben, weltweit zu kommunizieren und neue Universen zu erforschen.
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Auflösung: Rasch wurden die Computer durch Netzwerke verbunden, dann durch Netzwerke von Netzwerken. Wie ein Stück Zucker, dass sich im Wasser auflöst, entmaterialisiert sich der Computer in einer Informatik-Wolke.
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Humanisierung: Der Computer kommuniziert nicht nur mit dem Menschen in immer benutzerfreundlicherer Weise. Seine Intelligenz erhöht sich und übertrifft in gewissen Gebieten sogar die des Menschen.
IBM schenkt Blue Gene P
Der IBM Blue Gene P Supercomputer war von 2009 bis Anfangs 2013 an der Eidgenössischen technischen Hochschule Lausanne (EPFL) im Rahmen des Blue Brain Projektes unter anderem für komplexe Simulationsrechnungen im Einsatz. Den Blue Gene/P erhielt das Bolo-Museum als Geschenk von IBM. Er ist in funktionsfähigem Zustand. Die Maschine bestand aus vier Racks, wovon eines im Museum ausgestellt ist und bei Gelegenheit wieder zum Laufen gebracht wird. Der Supercomputer war wassergekühlt und erbrachte eine Leistung von 47.7 Teraflops (tausend Milliarden Fliesspunktoperationen per Sekunde). Das System schaffte es bis auf Rang 99 der Top 500 der mächtigsten Rechner der Welt. Ihr Nachfolger an der EPFL, die Blue Gene/Q, besitzt eine Leistung von 189 Teraflops.
Dinosaurier-Friedhof der Computer
Im Bolo Museum befinden sich drei weitere «Dinosaurier» der Computer-Technologie. Eine Cray-2-Maschine arbeitete von 1988 bis 1993, deren 280‘000 Chips eine Leistung von 195 Kilowatt Strom voraussetzten. Diese Wärme wurde durch ein speziell von 3M entwickeltes Kühlungsmittel mit Namen Fluorinert weg geführt. Der Arbeitsspeicher (RAM) betrug 2 Gigabyte.
Die Cray T3D (installiert 1994) wurde mit 256 DEC-Alpha-Prozessoren mit 150-MHz Taktfrequenz und 16 GB RAM ausgerüstet. Es war die erste massiv-parallele Maschine von Cray. Die Prozessoren sind in einem dreidimensionalen Torus miteinander verbunden – deshalb die Bezeichnung T3D. Die Cray XT4 (448 Dualcore-Prozessoren, 896 GB RAM, 5 Gigaflops Leistung) wurde 2007 im Centro Svizzero di Calcolo Scientifico (CSCS) im Kanton Tessin in Betrieb gesetzt. Ein Drittel ihrer Leistung wurde für die Wettervorhersage von Swissmeteo verwendet. Damit konnten Simulationsrechnungen für eine 24-Stunden-Prognose von 60 auf 25 Minuten reduziert werden. Cray hatte damals die Maschine mit dem Bild einer Schweizerflagge dekoriert. Eine vierte Cray-Maschine, früher beim CERN im Einsatz, wird zurzeit noch restauriert.
Verein restauriert die alten Maschinen
Seltene und berühmte Maschinen sind ausgestellt, wie Apple Lisa, IMSAI 8080, Commodore PET, TI 99/4A und PDP-11. Das Bolo-Museum wurde 2002 gegründet und befindet sich an der EPFL in Dorigny bei Lausanne, im Untergeschoss der Informatik-Abteilung. Es wird von einer privaten Stiftung verwaltet und ist von der Hochschule unabhängig. Eine Vereinigung um den Sammler und Museumsgründer Yves Bolognini sorgt sich um die Restaurierung und Wiederinstandsetzung der alten Maschinen. Die Ausstellung wurde initiiert von Bologninis «Foundation Mémoires Informatiques», in Zusammenarbeit mit aBCM, des Vereins «Amis du Musée». Das Museum steht zu jeder Schulzeit offen. Der Eintritt ist frei.
(Jean-Luc Perrenoud)
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Toll recherchiert und gut gemacht. Für alle IT-Begeisterten sicher einen Besuch wert. Ob da auch ältere Laptop-Modelle zu finden sind?
Herzliche Grüsse
Frank Geisler
Labdoo Hub Zürich
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