Analyse: SAP startet zweite Revolution

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Die Hana-Technologie für die SAP Business Suite kommt einer zweiten Revolution der SAP-Architektur gleich, die für jedes Unternehmen ein Thema sein muss. Die Gastautoren Wolfgang Schwab, Jürgen Weiss und  Andreas Zilch der Experton Group beurteilen und hinterfragen für Greenbyte.ch die gestrige Ankündigung von SAP. 

SAP-Leader

Die SAP-Leader Snabe, Plattner und McDermont haben mit Hana eine Revolution gestartet. (pd)

Am 10. Januar hat SAP die sofortige Verfügbarkeit der SAP Business Suite auf Basis der Hana Architektur angekündigt (Artikel). Obwohl sicher nicht ganz überraschend, ist der Umfang der Ankündigung und die Darstellung der zukünftigen Optionen umfassender als erwartet. Die Experton Group schätzt diese Ankündigung als extrem wichtig für SAP, den gesamten ERP-Markt, das Wettbewerbsumfeld und insbesondere auch die Anwender ein.

Ankündigung der SAP Business Suite auf Hana

Nachdem Hana ursprünglich als Hochleistungsdatenbank für die Verarbeitung grosser Datenmengen (damit als BI-Appliance für Analytics-Anwendungen) positioniert war, wurde Hana auch im CRM-Umfeld sowie kürzlich für Business One angeboten. Nun hat SAP das Hana-basierte Angebot erweitert auf die gesamte Business Suite, insbesondere auch auf den ERP-Backbone. Daraus wird klar, dass die neue Architektur nicht nur für analytische Datenverarbeitung (OLAP), sondern auch für operative Datenverarbeitung (OLTP) geeignet ist.

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Die potenziellen Vorteile dieser neuen Architektur sind sehr transparent. Eine Datenbasis für die operative Datenverarbeitung sowie Analyse fördert sowohl die Datenkonsistenz als auch die Geschwindigkeit, IT-abhängige Geschäftsprozesse können deutlich verbessert und beschleunigt respektive erst ermöglicht werden. Insgesamt können dadurch potenziell Wettbewerbsvorteile erreicht werden.

SAP zeigt im Rahmen der Ankündigung auch schon erste Kunden, die in Teilbereichen eine erfolgreiche (technische) Migration der klassischen zur Hana-Architektur durchgeführt haben. Hierzu gehören John Deere, HSE24, Ferrero und Bayer – also durchaus sehr verschiedene Unternehmensgrössen, Branchen und Einsatzszenarien.

Architekturwechsel von SAP 

Die Ankündigung von SAP bedeutet strategisch nichts anderes als den zweiten revolutionären Architektur-Wechsel in der Geschichte von SAP – vergleichbar mit dem Schritt von R/2 nach R/3. Die neue Architektur-Plattform wird auch eher Informations- und Datenbankzentriert sein, als Applikationszentriert, obwohl Applikationen natürlich auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Konsequenterweise hat SAP ja auch eine eigene Datenbank in den Mittelpunkt gestellt und verzichtet damit in der Zukunft strategisch auf die bisher zumeist genutzte Oracle-Plattform. Diese „In-Memory“ Datenbank kann und wird in Zukunft auch Daten auf traditionellen Storage-Systemen ablegen und verwalten können.

Eine Besonderheit der Hana-Initiative und auch dieser Ankündigung stellt die Konsequenz und Schnelligkeit der SAP dar. Der Innovations-Track der SAP war in den letzten Jahren eher gemischt (Netweaver als universeller Enterprise Service Bus, Business by Design als primäre ERP-Cloud-Plattform für den Mittelstand), bei der Hana Architektur treibt aber SAP das Thema konsequent von oben und richtet die ganze Company danach aus.

Besonders an dieser Ankündigung ist aber auch, dass der gesamte Software- und ERP-Markt davon betroffen ist und sich insbesondere auch massive Konsequenzen für Kunden, Wettbewerber und Partner ergeben.

Bedeutung für SAP, Partner, Wettbewerber und Anwender

Für die SAP ist das Thema Hana extrem wichtig. Ein Erfolg dieser Innovation würde das Selbstverständnis des Unternehmens und die Zukunftsperspektiven extrem positiv beeinflussen; im Gegensatz dazu wäre ein Misserfolg demotivierend und frustrierend.  Die Potenziale des Marktführers mit der riesigen installierten Kundenbasis sind natürlich gigantisch, trotzdem wird die Migration und Umstellung alles andere als ein Selbstläufer werden.

Für die  Partner bedeutet ein neues Thema neue Chancen, das hat sich schon bei der Hana BI Appliance gezeigt, mit der die SAP schon grosse Erfolge erzielte, was entsprechende Implementierungs- und Services-Umsätze nach sich zog. Allerdings ist der Markt für SAP Spezialisten aktuell extrem überhitzt. Das bedeutet, dass SAP-Service-Provider zur Zeit hohe Auslastungen mit traditionellen Migrationen und Projekten erzielen. Damit wird es natürlich schwierig, eine Motivation für eine strategische Investition in das neue Thema zu tätigen. 

Strategische globale Implementierungspartner sind zunächst IBM, HP und Accenture. Hier zeigt SAP eine Konzentration auf wenige Partner, die von anderen Wettbewerbern sicher kritisch gesehen werden wird, aber für die Qualität in der jetzt folgenden sehr wichtigen Initialisierungsphase durchaus förderlich ist.

Als Wettbewerber steht Oracle im Mittelpunkt. Noch immer basiert eine Vielzahl von SAP Installationen bei grossen und wichtigen Kunden auf der Oracle-DB-Plattform. Die meisten Kunden beziehen Oracle von SAP zu sehr günstigen Konditionen über das schon sehr lange geltende Reseller Abkommen von SAP und Oracle. Wie lange dies bei dem immer stärkeren Wettbewerb beider Unternehmen auf allen Ebenen noch hält, muss zumindest in Frage gestellt werden. Auch die neuen und innovativen Fusion Solutions von Oracle werden den Wettbewerb sicher noch deutlich verschärfen – speziell in den noch zu erschliessenden Emerging Countries.

Aber auch andere Datenbank-Anbieter, Betriebssystem und Server-Hersteller sind von der SAP Initiative betroffen. SAP setzt zwar klar auf Hana, bleibt aber weiterhin Datenbankanbieter-agnostisch, bestehende  Datenbanken können natürlich bei existierenden Systemen weiter genutzt werden. Zudem sind als Linux-Betriebssystem Suse und als Server Plattform Intel gesetzt. Besonders die hohe Integration der Hana-DB mit den Intel-Prozessoren schafft deutliche Geschwindigkeitsvorteile. Es handelt sich um einen hoch-integrierten Stack, was Anbietern wie IBM, AMD, Microsoft und Red Hat sicher nicht gefallen wird.

Für die SAP-Anwender bedeutet die neue Hana-Architektur potenziell eine Vielzahl von Chancen, aber auch sich aus der Migration ergebende Aufwände und Risiken. Auf jeden Fall sollte sich jeder aktuelle Anwender mit dem Thema beschäftigen und die bestehenden Alternativen für sich selbst, sein Umfeld und insbesondere seine zukünftigen Business Ziele überprüfen.   

Kritische Kernfragen 

Mit welcher Intensität und mit welchem Ressourceneinsatz treibt SAP das Thema voran?

SAP hat in den letzten 30 Monaten erhebliche Anstrengungen unternommen, um Hana zunächst  als BI Analytics In-Memory Datenbank zu entwickeln und dann die Weiterentwicklung zu einer Enterprise Datenbank voranzutreiben. Diese Entwicklung ist aber – trotz der gezeigten positiven Fallbeispiele – noch nicht komplett abgeschlossen. Oracle, IBM DB/2 und Microsoft SQL Server haben hier einen mehrjährigen Vorsprung. SAP Hana hat demgegenüber den absoluten Vorteil, dass die Architektur schon in der Entwicklungsphase für OLAP und OLTP designed wurde. Nachteilig ist heute noch, dass die Leistungsfähigkeit einer Datenbank nicht nur von dieser selbst, sondern auch von dem existierenden Umfeld abhängt, welches noch nicht voll entwickelt ist. Die Entwicklung dieses Umfeldes hängt nicht allein von SAP ab, sondern insbesondere von einer grösseren Zahl von weiteren SW-Tool-Anbietern.

Bei der bisherigen positiven Marktentwicklung und –Prognose der Hana-Datenbank sollte die Motivation nicht schwerfallen, diese muss aber auch nachhaltig mit entsprechenden Ressourcen hinterlegt sein. Auch SAP selbst hat hier einen potenziellen Zielkonflikt – denn die bestehenden Systeme müssen weiterentwickelt werden und SAP hat auch eine Vielzahl von Neuerungen und Innovationen im Rahmen der klassischen Architektur. Die Kunst wird sein, hier Synergien zu nutzen und genug Ressourcen für die Neuentwicklungen im Rahmen der Hana-Architektur freizuschaufeln.

Wie transparent, solide und nachhaltig ist die Roadmap?

Die Hana-Architektur wurde zwar bisher von SAP sehr konsequent entwickelt, das weitere Wegstück liegt aber noch in der Zukunft. Wichtig für alle Stakeholder in diesem Umfeld ist jetzt eine transparente und solide Roadmap, die auch exekutiert wird. SAP ist normalerweise für Verlässlichkeit bekannt, das negative Beispiel Business by Design wirkt aber durchaus etwas nach. Ausserdem ist eine solche Forderung natürlich leichter ausgesprochen als realisiert – das Thema ist weiterhin komplex und die Aufgabenstellungen a priori schwer zu planen, insbesondere da, wo externe Abhängigkeiten bestehen.

Wie entwickelt sich das Hana-Datenbank-Umfeld?

Obwohl es sich grundsätzlich um einen hochintegrierten Stack handelt und SAP sich auch der engen Zusammenarbeit mit den wichtigsten Technologie Partnern sicher sein kann, gibt es gerade im DB- und System Management noch eine Vielzahl von kleineren Aufgabenstellungen, die von unabhängigen 3rd-party Tools übernommen werden.

Hierzu gehören insbesondere weitere Tools unter anderem zur Administration, Monitoring, Sicherung, Archivierung, Backup und Recovery der Datenbank, sowie Schnittstellen und Adaptoren zu klassischen System Management Tools. Für diese Entwicklung kann SAP einen Beitrag leisten, besonders wichtig sind aber auch entsprechende Initiativen und Investment der wichtigsten Technologie Partner. Diese sollten auf der einen Seite durch die positive Entwicklung und das Momentum gut motiviert sein, auf der anderen Seite existieren teilweise natürlich auch Wettbewerbssituationen.

Wie rechnet sich der Business Case des Umstiegs für bestehende  Kunden und wer entscheidet über die Investition?

Die sicherlich wichtigsten Fragestellungen ist: Was bringt die Hana Architektur Migration konkret für das Unternehmen, wie hoch ist der Aufwand und wie sind die Risiken zu bewerten und möglichst einzugrenzen?. SAP hat dies auch erkannt und unterstützt die Kunden durch ROI-Kalkulatoren und entsprechende Beratungsleistungen. Hiermit wird ein guter Beitrag geleistet, die Hauptarbeit muss aber trotzdem das Anwenderunternehmen leisten. Die Herausforderung liegt dabei insbesondere in der langfristigen und ganzheitlichen Sichtweise. Für einzelne Hana-Projekte im Analytics-Bereich ist eine Wirtschaftlichkeitsrechnung relativ einfach und es gibt auch gute Fallbeispiele. Schwieriger ist es, den Business Case für die komplette Migration zur Hana-Architektur für das ganze Unternehmen zu rechnen. Wie auch die Erfahrungen mit SOA-Investments gezeigt haben, ist ein hohes Erst-Investment notwendig. Falls dieses auf die ersten Projekte voll umgelegt wird, ist eine positive Wirtschaftlichkeitsbetrachtung schwierig.

Somit müssen Anwenderunternehmen eine langfristige und strategische Entscheidung treffen. Neben der Betrachtung des potenziellen Nutzens kann dabei auch eine nähere Betrachtung der aktuellen SAP-Installation im Unternehmen bei einer Entscheidung helfen. Zumeist handelt es sich um ältere Systeme, das heisst die Erst-Installation liegt 15 Jahre oder noch länger zurück. Die Systeme wurden zwar kontinuierlich weiter entwickelt, leider aber oft auch nur mit technischen Migrationen: bei Release Wechseln wurde darauf verzichtet, Geschäftsprozesse anzupassen, zu standardisieren und zu modernisieren. Die neuen Möglichkeiten der Hana-Architektur könnten hier einen Anstoss geben, das ERP-System von Grund auf zu renovieren und fit für die nächsten 10-20 Jahre zu machen.  

Welche Migrationswege sind möglich und effizient?

Ein Big Bang ist gerade für grössere Unternehmen unrealistisch, daher zeigt SAP in den ersten Anwendungsbeispielen einen anderen Weg auf. Die Grundidee ist dabei, die bestehende SAP-Installation inklusive aller Datenbestände und insbesondere auch der bestehenden Applikationen zunächst 1:1 auf die neue Hana-Architektur zu migrieren. Diese Migration ist laut SAP mit überschaubarem Aufwand und ohne Nachteile möglich. Wenn dies erfolgt ist, hat man zwar noch keine signifikanten Vorteile erzielt, aber die Basis für wertschöpfende Neuentwicklungen geschaffen. Die SAP-Aussagen wurden von den ersten Pilotunternehmen klar bestätigt.  

Summary, Bewertung, aktuelle Implikationen für SAP Anwender

Die Ankündigung und insbesondere die Implikationen sind so signifikant, dass jeder SAP Anwender sich damit beschäftigen muss! Die Initiative von SAP zur Umstellung der kompletten Architektur der Basissysteme betrifft SAP selbst, das Umfeld der Technologie- und Implementierungspartner und die Wettbewerber von SAP.

Das erste Kundenfeedback zeigt einen klaren Business Vorteil durch eine massive Beschleunigung von Planungs-, Simulations- und Analyseaufgaben. Entscheidungen können zeitnah mit allen verfügbaren Daten getroffen werden, ohne langwierig auf Daten aus BW oder ähnlichen Systemen zu warten. Dadurch verbessern sich die Entscheidungsgeschwindigkeit und vor allem die Qualität. Auch allein zeitnahe Entscheidungen können in einzelnen Branchen, z.B. Handel oder Banken und Versicherungen, einen erheblichen Wettbewerbsvorteil darstellen.

Die relativ einfache Verfügbarkeit in Form eines Enhancement Packages und der relativ niedrigen Appliance Kosten machen es auch für größere mittelständische Unternehmen  einfach, schrittweise auf diese Technologie zu migrieren. 

Kritisch könnte die Verfügbarkeit von Hana-SAP-Beratern sein, die beispielsweise die SAP-Programmiersprache ABAP optimieren und Systeme optimal parametrisieren. Die drei strategischen SAP-Partner Accenture, HP und IBM sollten aber zumindest mittelfristig genügend Ressourcen bereitstellen können.

 (Wolfgang Schwab, Jürgen Weiss, Andreas Zilch / Experton Group)

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