Physik erklärt uns Dinge, die gegen den gesunden Menschenverstand verstossen. Ein Beispiel ist, Computer mit heissem Wasser zu kühlen. Auf solche Ideen kommen natürlich nur Wissenschaftler! Das erste Grossprojekt mit der Schweizer Erfindung hätte fast in Zürich gestanden.
Supercomputer werden heute mit warmem oder sogar heissem Wasser gekühlt. Die weltweit ersten Beispiele dieser Schweizer Erfindung sind das Pilotprojekt Aquasar an der ETH Zürich von 2010 und SuperMUC in München von 2012. Wieso Warmwasser? Nicht etwa, weil der Kühlungsvorgang bei diesen Temperaturen effizienter wäre, sondern weil Wasser bei 40 oder 60 Grad Celsius (°C) besser für andere Zwecke geeignet ist als auf Zimmertemperatur. Das heisse Wasser kann zum Beispiel Räume heizen. Im Betrieb eines Rechenzentrums kann damit bis zu 40 Prozent der erforderlichen Energie gespart werden.
Temperaturen wie in Sibirien sind Vergangenheit
Früher hat man Rechenzentren auf sibirische Temperaturen gekühlt und Wasser dazu verwendet. Später ist man auf Luft übergangen, weil Wasser bei einem Leitungsbruch verheerende Schäden verursachen würde. Heute, weil die elektronischen Bauteile nicht mehr so empfindlich auf Erwärmung sind wie früher, kühlt man die Säle nur noch auf Zimmertemperatur. Die Betriebstemperatur von Chips muss immer noch unter allen Umständen kühler als 85 °C bleiben. Das Hauptproblem mit Luftkühlung ist aber, dass sie quasi ein Drittel der für den Betrieb eines Rechenzentrums notwendigen Energie verbraucht.
Wasser ist bestes Kühlmittel für Supercomputer
Bei den mächtigsten Supercomputern wird heute wieder Wasser verwendet. Dieses wird durch Mikrokanäle (sogenannte Kapillaren), direkt an den Prozessoren und Memory-Elementen vorbeigeführt. Ferner wird das Wasser auf 40 bis 60 °C gehalten, weil bei diesen Temperaturen ein einfacher Wärmeaustauscher genügt, um die von den Rechnern erzeugte Wärme an einen externen Verbraucher zu übergeben. Dadurch erspart man Kühlaggregate, Kompressoren und vor allem sehr viel Energie. Dieses Vorgehen kommt zum Beispiel bei den IBM Supercomputern Aquasar an der ETH und SuperMUC im Leibniz Rechenzentrum in München zur Anwendung. MUC ist der Code des Münchner Flughafens.
Abwärme ersetzt Heizöl
SuperMUC enthält 18‘000 Intel-Xeon-Prozessoren und leistet 3 Petaflops. Sein Betrieb erwärmt das Kühlungswasser von 40 auf 45 °C. Im Sommer wird diese Wärme ausgestrahlt, im Winter dient sie zur Heizung der umliegenden Gebäude. Kühlungswasser im RZ und Heizungswasser in den Gebäuden sind durch einen einfachen Wärmeaustauscher verbunden. Dadurch wird im Vergleich zu traditioneller Kühlung jährlich um 40 Prozent Energie erspart – ungefähr einer Million Euros entsprechend.
Schweizer Erfindung von ETH, IBM und Walter Meier
Es wäre dem Konzept und dem grüneren Planeten zu wünschen, eine grösstere Verbreitung zu haben. Besonders, weil es vollkommen in der Schweiz entwickelt wurde. Bei der ETH Zürich entstand das Wunderwasser, eine Mischung aus wärmeleitenden Elementen in einer wasserähnlichen Flüssigkeit. Bei IBM Research in Rüschlikon (ZH) entstand das Ganze hauptsächlich, von der Idee zum Prozessor-Kühler mit Wasser direkt auf den Chip, bem Design und dem Bau der Kühl-Elementen und deren Position im Blade-Server. Das vielseitige Schweizer Industrieunternehmen Walter Meier, das auch den Sauber-Formel-1-Rennstall mit Metall-Fräsmaschinen ausrüstet, gestaltete und produzierte die Kühl- und Heiz-Verbindungen ausserhalb der Computer.
Zürich wäre schon fast Grosskunde
SuperMUC und das Rechenzentrums Grossprojekt des Organisation und Informatik der Stadt Zürich (OIZ) für 139 Millionen Franken entstanden beide im gleichen Zeitraum. Die OIZ gehört zum Zürcher Finanzdepartement. Nur wegen eines einzigen Paragraphen sind die beiden Rechenzentren des OIZ heute nicht mit diesem Warmwasser-System ausgerüstet. Hätte IBM als der innovative, exklusive Hersteller dieses Systems die nötigen Investitionsgarantien schnell genug liefern können, oder hätten die Zürcher länger warten wollen, wäre das erste grosse Rechenzentrum mit der beschriebenen Warmwasser-Technik aus der Schweiz auch in der Schweiz gestanden. Die Stadt Zürich konnte für einen Entscheid aber nicht auf die nötigen Dokumente verzichten, die IBM nicht rechtzeitig genug bereitstellen konnte. Dies bestätigten gegenüber Greenbyte.ch mehrere involvierte Personen von IBM und OIZ.
Dennoch sind die OIZ-Rechenzentren seit November 2012 in Betrieb. Am Standort Albis kann mit der Abwärme der Server zukünftig rund 400 Wohnungen einer benachbarten Wohnsiedlung beheizt werden – zu 80% C02-frei. Damit würden jährlich laut OIZ rund 4’000 Megawattstunden an fossiler Energie eingespart – mit konventineller Wassserkühlung von IBM.
(Jean-Luc Perrenoud / Marco Rohner)
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