Swisscom ermöglicht IP-Telefonie für alle

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Swisscom hat die komplette Umstellung des Schweizer Festnetzes auf IP-Telefonie angekündigt. Bis Ende 2017 sollen alle 2 Millionen Kundinnen und Kunden zu ihrer Telefonnummer eine IP-Adresse erhalten. Rund 6000 der grössten Unternehmen erhalten ein Einzelverfahren.

Swisscom-Unternehmen

Swisscom wird bis Ende 2017 flächendeckend auf Internet-Telefonie mit SIP-Standard umstellen. (pd)

Wieviel Mal haben wir uns schon gewundert, dass jedes Telefon auch Video überträgt, die Sprachqualität so gut ist wie in einem Kinofilm, die Nummer immer eingeblendet ist und die gleiche Nummer mit jedem Gerät funktioniert, daheim, auf dem Handy, im Auto oder am Geschäftstelefon? Wie oft haben wir uns gewünscht, in jeder Situation Telefongespräche ganz einfach mitzuschneiden, Telefonnummern der Anrufer oder Angerufenen automatisch zu speichern und ohne etwas zu tun mit den Kontakten zu synchronisieren, Werber oder lästige Personen per Knopfdruck zu sperren? Klar, mit dem Handy, dem Smartphone oder dem Geschäftsanschluss eines grösseren oder modernen Unternehmens ist dies möglich seit über einem Jahrzehnt, daheim musste man sich als Privatperson mit dem Router herumschlagen. Spätestens ab Ende 2017 soll moderne Telefonie nun endlich für alle Haushalte möglich sein. Swisscom erschliesst die Schweiz mit moderner Telefonie. Videotelefonie mit den Kindern und den Grosseltern wird endlich Realität, ohne dass im Haushalt ein Informatiker verlangt wird.

Internet-Telefonie für die ganze Schweiz

Swisscom hat bereits 260’000 Nutzer umgestellt. Bis Ende 2017 sollen alle 2 Millionen Kundinnen und Kunden per IP-Telefonie erreichbar sein. 1,6 Millionen sind bereits Internetkunden und deshalb heute schon anschlussbereit. Die Nummer ist im Swisscom-Router und wird von Haus zu Haus mitgenommen. An den Router lassen sich auch die alten Telefone anschliessen und weiterbenutzen. Wenn ein Privatkunde oder ein Kleinunternehmer ein neues Abo bestelle oder sein bisheriges Abo ändere, werde er automatisch auf die IP-Telefonie umgestellt. «Wir zwingen die Kunden nicht zum Wechseln», sagte Marketing- und Produkteleiter für Telefonie und Internet, Guido Tranel: «Jeder Kunde, der analog telefoniert, kann das weiterhin tun.» Für die neue IP-Sprachtelefonie seien im Netz 128 Kilobit pro Sekunde reserviert, sagte Herren gegenüber Greenbyte.ch.

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Wir wissen noch nicht, wieviel Kosten wir durch die Abschaltung der analogen Telefonie einsparen können, sagte Herren. Die grössten Einsparungen ergäben sich durch einfachere Abläufe, deren Umfang man heute noch nicht genau abschätzen könne. Die Kommunikation erfolgt sowohl über IPv4 wie auch wahlweise über IPv6. «Wie unterstützen beides. Das kann der Kunde selbst wählen», sagte Swisscom-Netzchef gegenüber Greenbyte.ch in Zürich. Obwohl Swisscom mit der IPv6-Unterstützung eine weltweite Führungsrolle einnehme, sind sie mit der Abschaltung der analogen Telefonie nicht alleine. Die Deutsche Telekom hatte ihren Ausstieg per Ende 2018 angekündigt. Auch in Mazedonien habe die Deutsche Telekom bereits alle Kunden umgestellt, sagte Tranel.

Technologie ist längst bewährt

IP-Telefonie mit Swisscom Router

Privatkunden und Kleinunternehmen erhalten den neuen Router, um IP-Telefonie zu nutzen. (pd)

Auch die Nachfolge-Regelung des Familienbetriebs kann mit moderner Kommunikation geschehen, ohne dass ein IT-Dienstleister zuerst die Telefonanlage auswechseln muss. Die SIP-Technologie macht es möglich. Swisscom setzt auf bewährte Technologie. Seit 1999 ist das Session Initiation Protocol (SIP) standardisiert, 2004 nochmals verfeinert. Das Konzept Voice over IP (Voip), wie IP-Telefonie in der Fachsprache auch genannt wird, ist beispielsweise in Deutschland mit bereits 8 Millionen Nutzern längst erprobt. SIP ist der meistgenutzte Voip-Standard wertweit. In beinah allen Schweizer Unternehmen auf einem Dutzend Mitarbeiter ist Voip zumindest auf der Evaluationsliste, ja sogar in jedem Internationalen Unternehmen längst eingeführt und erprobt, weil nur schon die Roaming-Kosten für die alte TDM-basierte Festnetz-Telefonie nur die Insolvenz fördert und erst noch viel weniger kann.

Zusammenarbeit im Trend

Die Zusammenarbeit von Internet-Nutzern ist eines der treibenden Themen für Mobilität und Cloud Computing. Laut den Marktforschern von Gartner wird die meiste Online-Collaboration-Anwendungen bis 2016 bis zu 6 Geräte synchronisieren. Für die rund 6000 Grosskunden hat Swisscom auch PBX als Managed Service aus der Cloud im Angebot. Swisscom nutzt selbst seit Jahren intern die Microsoft-Lösung Lync. Gemeinsam mit Cisco, Avaya und Unify (ehemals Siemens Enterprise Communications) ist Microsoft Marktführer. Weitere Anbieter sind IBM, NEC und Avaya, dazu Huawei, Alcatel-Lucent und weitere Hersteller wie Digium. Dazu kommen noch die Lösungen basierend auf Open Source und freier Software wie der weitverbreitete Enterprise-Plattform Asterisk. Weitere freie Alternativen sind Kombinationen wie der SIP-Server Kamailio und der verschlüsselte, auf Privatspäre der Nutzer spezialisierte SIP-Dienst Ostel, die mit Programmen wie Linphone, Jitsi und CSIP Simple auf allen Geräten sichere IP-Telefonie ermöglichen. Ausserdem buhlen Social Networks mit proprietären Video- und Sprach-Kommunikationsystemen um Nutzer wie Skype von Microsoft, Facetime von Apple, Hangout von Google und Facebook.

Gartner Magic Quadrant for Unified Communications 2013

Cisco, Microsoft, Unify (Siemens) und Avaya führen laut Gartner den Markt für Unified Communications an. (pd)

Swisscom hat sogar selbst eine sogenannte Online-Collaboration-Lösung parat mit Swisscom IO, dem 2013 vorgestellten und eingeführten SMS-Nachfolger. Die App unterstützt auch IP-Telephonie und eignet sich ebenfalls als Whatsapp-Alternative. In diese Richtung will Swisscom nun auch die Festnetz-Telefonie führen. Beispielsweise sollen Swisscom-TV-Kunden bei einem Anruf am Fernseher sehen, wer sie gerade erreichen will. Der Festnetz-Anschluss lässt sich theoretisch auch ganz einfach mit Swisscom IO verbinden, so dann man jeden Anruf auf die Festnetznummer auch am Handy annimmt und dann beispielsweise per Video telefoniert.

Ohne IP-Telefonie keine Privatspäre

Braucht der Anwender eine sichere Kommunikations-Verbindung, die verschlüsselt ist und abhörsicher, führt sowieso kein Weg an IP-Telefonie vorbeit. Die Sicherheits-Technologie von Geheimdiensten und Regierungsbeamten sowie Militärs basiert auf IP-Telefonie. «Swisscom hat das Festnetz unverschlüsselt. Wir haben bisher keine Verschlüsselung im Festnetz gehabt und haben dies auch nicht für die IP-Telefonie vorgesehen» , bestätigte Heinz Herren gegenüber Greenbyte.ch. Das Netz sei intern bei Swisscom und der Zugang sei nur physisch geschützt. Gegen Man-in-the-Middle-Attacken ist das IP-basierte Festnetz also genauso anfällig wie das bisherige: Abhören bleibt ohne grossen Aufwand möglich.

Privatsphäre ist Nutzersache

Auf die Frage von Greenbyte.ch, ob Swisscom denn überhaupt verschlüsseln dürfe, reagiert Herren nur mit der Gegenfrage, wieso das nicht gehen solle. Auf den leichten Geheimdienst-Zugang angesprochen, reagiert Herren ausweichend: «Das ist kein Kriterium für uns, denn auch wenn die Verbindungen verschlüsselt seien, könne der Geheimdienst sowieso die Daten anfragen und müsse sie von Swisscom bekommen.» Das zeigt auch, dass unterschlüsselte Telefonverbindungen im Interesse von Swisscom sind und somit unverändert bleibt, weil so der allgemeine Aufwand und speziell der Aufwand im Falle einer Auskunft viel geringer bleibt. Auf Kostenseite ist das im Interesse der Steuerzahler und der Aktionäre, also zu 51 Prozent auch von Bund und Kantonen. Privatsphäre entspricht nicht dem Grundauftrag an Swisscom, sondern muss von den Nutzern selbst sichergestellt werden, um beispielsweise Wirtschaftsspionage einzudämmen.

(Marco Rohner)

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Marco Rohner
Journalistischer Unternehmer der neu erfindet, wie Geschichten in einer allzeit verbundenen Welt erzählt werden. Er ist Herausgeber von Greenbyte.ch, dem weltweit exklusiven Online-Magazin über den nachhaltigen Nutzen von Informationstechnologie, gegründet im Jahr 2011 und 500'000 Leser in den ersten drei Jahren erreicht.