Schweizer Computer haben sich nachhaltig positiv auf die Wirtschaft ausgewirkt. Beispiele sind Langlebigkeit, geschonte Umwelt und lokale Arbeitsstellen. Greenbyte.ch hat bei Axxiv in einer der grössten PC-Produktionsstätten der Schweiz beobachtet, wie die Arbeitsgeräte der digitalen Gesellschaft entstehen.
In Zeiten der Unwetter sehnen wir uns nach dem sicheren Hort, dem Fels in der Brandung. Es sind solche Zeiten, in denen der weltgrösste Software-Hersteller das erste Mal ein Geschäftsjahr mit Verlust abschliesst. Zeiten wie die vergangenen Wochen, als der weltgrösste Computer-Hersteller das Umweltsiegel von seinen Produkten riss, um sie kurz danach trotzdem wieder aufzukleben wie ein Pflaster auf das offene Herz.
Microsoft und Apple prägen den Kunden in globalen Märkten ihre eigenen Vorstellungen auf. Ein Beispiel: «Das bösartige Genie Steve Jobs hat herausgefunden, wie man aus Computern Gefängnisse für die Nutzer macht und sie danach sogar dazu bringt, freiwillig drin zu bleiben», erinnert uns Richard Stallman, Gründer der Free-Software-Foundation, wie kürzlich im Interview mit ZDnet.de. Da loben wir uns unsere Horte als Willensnation Schweiz: die Bunker des Reduits, die wir als unsere Kathedralen des Überlebens ins Steinmassiv der Alpen schlugen. Doch wir Schweizer sind nicht aus solchem Fels gehauen, nicht so hart wie die Statue des Willhelm Tell – auch nicht die Schweizer Computer-Assemblierer.
Intel und Microsoft loben Assemblierer
Trotz sinkender Margen und hartem Konkurrenzkampf mit den weltweit tätigen Computerherstellern wie HP, Dell, Acer und Apple schwimmen die Assemblierer in diesem Haifischbecken wie Fische um den Wal, der sie beschützt. Der Wal ist in diesem Fall ein Paar aus Microsoft und Intel. Beide verliehen im Juni erstmals den Swiss Assembler Award. Diesen gewannen Brentford, PC4All und Comed als die innovativsten unter den innovativen Schweizer PC- und Server-Herstellern. Grösste Schweizer Hersteller sind Steg und Littlebit. Gemeinsam halten alle Assemblierer in der Schweiz laut dem Weissbuch 2012 rund 15 Prozent Marktanteil im Bereich Desktop-PC. Der gesamte Schweizer Markt für Desktop-PC umfasste im Jahr 2011 rund 2,27 Milliarden Franken Umsatz.
«Apple-Produkte schaden der Gesellschaft»
Hersteller wie die erwähnten sowie Asus, Lenovo, Samsung, Fujitsu oder Toshiba liefern zwar oft solide, manchmal sogar herausragende Computer, doch die sind nicht genug für allerhöchste Ansprüche, schlechter für die Umwelt und verlustreicher für die Schweizer Volkswirtschaft. In Ausnähmefällen wie Apples neuen Macbooks und iPads liefern diese Grosshersteller auch Sondermüll, aber mehr dazu später im Artikel.
«Die Apple-Produkte schaden der Gesellschaft, weil sie die Prioritäten der Menschen verschieben. Statt Freiheit wählen sie Komfort und Bequemlichkeit», so Stallman. Seine Philosophie trifft nicht nur auf Software zu. Die Tatsachen, dass Google, Microsoft und Facebook ihre Cloud-Server selbst bauen, und konstant einige Schweizer Unternehmen ihre Computer von Schweizer Herstellern einkaufen, geben ihm recht. Für die Kenner und Connaisseurs sind die lokalen Anbieter zuständig, weil sie durch ihre geografische und kulturelle Nähe die Befindlichkeiten der Kunden kennen und am schnellsten auf Veränderungen reagieren – jetzt und sofort. Ihr Überleben hängt davon ab.
Lokale Anbieter bedienen Kenner und Connaisseurs mit ausgesuchten Komponenten.
Einer dieser Schweizer Hersteller ist Axxiv, die Computer-Marke von Littlebit Technology. Das Unternehmen aus Hünenberg (ZG) ist Schweizer Exklusiv-Distributor der Festplatten-Marke Western Digital, Gold-Partner von Microsoft und Platinum Technology Provider von Intel. Enge Partnerschaften bestehen auch mit den Chip-Herstellern Nvidia und AMD sowie den Komponenten-Herstellern Asus (PC-Mainboards, Barebones und Grafikkarten) und Supermicro (Server-Barebones). Als Komponenten-Distributor ist Littlebit an der Quelle. Der Zugang zu Hard- und Software ist einfacher, weil ein grosses Lager gleich zu den Fertigungsstrassen anschliesst. Das stellt die Verfügbarkeit der Komponenten sicher und senkt die Einkaufspreise. Für finale Versionen von Windows 8 werde sie nicht bis Oktober warten müssen, sondern bekommen die Software bereits im August zum Testen und Installieren der neuen PC, die am 26. Oktober zu Start von Windows 8 auf den Markt kommen.
Assemblieren ergibt langlebige PC
Greenbyte.ch konnte eine der grössten PC-Produktionsstätten der Schweiz in Root (LU) besuchen. Dort entstehen PC, Workstations und Server für verschiedene Marken. Die theoretische Monatsleistung beträgt 3000 PC-Systeme. Littlebit produziert PC und Server der Eigenmarke Axxiv und die PC von Digitec. Auch Roline- und Microspot-PC kommen aus dem Rontal zwischen Luzern und Zug. Nur die Notebooks werden bei asiatischen Lieferanten in Auftrag gegeben. Mit der Übernahme von Rotronic Micro und dessen Marke Roline wuchs Littlebit zum wichtigsten Anbieter einer lokal gefertigten Business System Linie. Rotronic Micro entstand 2007 aus Rotronic und Micro Control. 2011 verkaufte allein Axxiv 17’000 Desktop-PC gemäss dem aktuellen Weissbuch 2012. «Hauptsächlich beliefern wir kleine und mittlere Unternehmen sowie Schulen und Universitäten», sagte Luzia Krieger, Marketing Communications Manager von Littlebit. Design, Software-Engineering, Reparatur und Service vor Ort werden durch das Service-Center in Root durchgeführt.
«Jede Konfiguration wird geprüft, bevor sie ins Angebot kommt.» Alain Gasparrino
Die PC von Axxiv lassen sich individuell und online zusammenstellen und werden danach zusammen gebaut. Ob der Kunde ein Modell mit Vierkern oder doch lieber Zwölfkern-Prozessor wählt, liegt allein bei ihm – sofern die Auswahl zu Verfügung steht. Der Umfang des Konfigurators ist begrenzt auf eine Auswahl, die durch die Wunschliste des Axxiv-Produkt-Manager und die Machbarkeitsanalyse im Testcenter vorgegeben sind. Im Software-Engineering in Root wird das Betriebsystem zusammengesellt, in vier Sprachen installiert und die fertigen Konfigurationen auf Kompatibilität der Komponenten überprüft. «Wir führen eine vollständige, intensive Evaluation durch, bevor ein Gerätemodell in der Verkauf kommt», sagte Alain Gasparrino, der als Technical Manager für die Produktionsstätte in Root verantwortlich ist. Zum Beispiel setzt er bei Server-Barebones das Wärmemessgerät an, um Prozessor (CPU), Controller, Arbeitsspeicher (RAM) und Mainboard-Chips auf ihre Kühlung zu prüfen. «Es kann sein, dass der Innenraum heisser wird als geplant, dann müssen wir die Komponenten überprüfen; um beispielsweise die Kühler oder die Lüftung zu verbessern», so Gasparrino. Sofern alles passt, geht das Modell in Produktion. «Jede einzelne Möglichkeit der Konfiguration wird von uns geprüft, bevor sie ins Kundenangebot aufgenommen wird», sagte Gasparrino. Nach der Produktion durchläuft jeder fertiggestellte PC einem 24 Stunden Dauerbetriebstest.
Zur Zeit unseres Besuchs Mitte Juni kam gerade die neue Intel-E5-Server-Plattform an. «Die Vorfreude war diesmal noch grösser, weil sie mehr Leistung bringt und vor allem Datenbanken beschleunigt», sagte Gasparrino. Nach dem Prüfverfahren und den Tests fotografiert er sein Werk, mit all den Komponenten, Kabeln und Kühlern, die er als Baumeister auswählte. Das Foto und ein Bauplan dient den Produktionsmitarbeitern als Vorlage. «Für Server zählen wir auf die Kompetenz und Qualität von Barebone- und Mainboard-Lieferant Supermicro», sagte Gasparrino. Der Testträger sah bei unserer Ankunft schon sehr aufgeräumt aus. «Das ist typisch Supermicro, die Geräte sind einfach aufgebaut», sagte Gasparrino bescheiden. Er hatte offensichtlich schon ordentlich gearbeitet. «Neue Hardware ist immer eine Freude», lächelte er. Trotz der Vorarbeit ist Sorgfältigkeit gefordert: Nur schon ein Kabel am falschen Ort kann den Luftfluss und damit die Kühlleistung des flachen Server-Gehäuses senken. Werden die Komponenten zu heiss, verkürzt sich ihre Lebensdauer. Auch für die Effizienz im Rechenzentrum sind gut gekühlte Server eine Grundvoraussetzung, denn sie Heizen mit ihrer Leistung das Gebäude auf, dessen Kühlleistung zu einer saftigen Rechnung führt.
Langlebige Produkte fördern Volkswirtschaft
Die Mitarbeiter der Testabteilung übernehmen auch die Reparaturen. Mit nur 0,4 Prozent Reparaturfällen von allen PC- und Servern, die das Werk verlassen, ermöglich dies Axxiv bis zu 5 Jahre Garantie anzubieten. Diese Langlebigkeit reduziert das Problem mit Elektroschrott. Laut einer Studie des Worldwatch Institute von 2008 profitieren Kunden, Produzenten und westeuropäische Länder wie die Schweiz von langlebigen Produkten. Die langlebigen Produkte benötigen hochqualifizierten Stellen für Design und Entwicklung. Mit diesen Jobs entstehen einfacher erweiterbare Produkte. Das erleichtert späteres Aufrüsten, Reparieren, Demontage und Recycling. Stabile Güter reduzieren den Energieverbrauch der Prozesse sowie die Giftigkeit des Materials.
Von der Theorie ist in der Praxis des Computerbaus viel wieder zu erkennen. Die Komponenten eines Distributors wie Littlebit sind alles Produkte für sich, mit eigener Qualitätskontrollen und Garantie. Sie sind hoch standardisiert, deshalb lassen sie sich als Assemblierer wie Axxiv einfach einbauen, reparieren und später aufrüsten. Dies führt zu weit höherer Langlebigkeit als Standard-PC und -Server aus der Grossproduktion, die meist in China stattfindet.
Hersteller wie HP verbauen in ihren Desktop-PC zum Beispiel eigene Mainboards und Disk-Laufwerke. Die Treiber der Komponenten sind nur auf die spezifische Konfiguration abgestimmt und deshalb nur eingeschränkt in andern PC wiederverwendbar. Ein Ersatz des Mainboards ist nur schon wegen des Garantieverlusts ausgeschlossen (ausser von lokalen Partnern durchgeführt), ganz zu Schweigen vom Aufrüsten, weil das Betriebssystem des PC fest mit der Identifikationsnummer des Mainboards verknüpft ist. Deshalb bedeutet bei einem Standard-PC ein neues Mainboard immer auch gleich ein neues Betriebssystem. Der manchmal vorhandene Preisvorteil des China-PC wird mit zunehmendem Alter zum Handycap. Diese Probleme beugen Schweizer Assemblierer vor, die können in jeder Situation kompetent helfen, sowie auf lange Sicht Materialaufwand und Kosten des Unternehmens sparen.
Apple setzt neue Standards für Wegwerf-PC
Das Arbeitsplätze zum Aufrüsten, Warten und Reparieren von Elektronik-Geräten sind in reichen Ländern wie der Schweiz beinah ausgestorben. PC, Monitore und Notebooks haben nach 1 bis 3 Jahren ihre Standard-Garantie verloren. Falls Garantiefälle eintreten, werden die PC zurückgegeben und ausgetauscht. Billiggeräte enden unrepariert im Müll.
Wegwerfprodukte sind Trend: Apples neue Macbooks haben den Retina-Bildschirm direkt auf die Glasscheibe des Gehäuses geklebt. Die Reparaturspezialisten von iFixit haben es zerlegten. Ein Ersatz sei unmöglich, ebenso wie das Recycling: weil Aluminium nicht mehr wiederverwertbar ist, wenn es wie bei diesem Gerät und dem aktuellen iPad mit Glas verklebt ist. iFixit-Chef Kyle Wiens bemängelte im Magazin «Wired», dass der Akku nun verklebt anstatt verschraubt ist – er lässt sich nicht unbeschädigt lösen. Auch der Arbeitsspeicher (RAM) ist fest verschweisst, anstatt in SO-DIMM-Slots gesteckt – wie es sonst in fast ausnahmslos jedem Notebook Standard sind. Smartphones sind ähnlich schlecht gebaut.
Mehr Arbeitsstellen und weniger Abfall
Viele Stellen entstehen auch durch das arbeitsintensive Aufbereiten, Wiederherstellen und Recyling. Am Beispiel von Axxiv werden Altgeräte mangels Verkaufsstellen nicht direkt, sondern schweizweit im Axxiv-Händlernetz zurückgenommen und entsorgt. Das Entsorgen von Elektrogeräten übernimmt in der Schweiz Swico Recycling. Sie ist eine Kommission mit über 640 Herstellern und Importeuren des Wirtschaftsverbandes Swico. 2010 sammelte Swico Recycling 59’500 Tonnen (t) Elektroschrott. 15 Prozent des Gewichts trugen PC und Server bei. Aufgeschlüsselt in Metalle (21’800t) und Leiterplatten (2’200t) waren PC und Server für einen Viertel des jewiligen Materialgewichts verantwortlich. Bezahlt wird der Aufwand mittels der vorgezogenen Recycling-Gebühr (VREG) beim Kauf von Neugeräten. «Der aktuelle Leistungsausweis in Bezug auf gesammelte Volumen, Rücklaufquote, Rückgewinnung der Rohstoffe ist beim Bund anerkannt und exzellent», sagte der ehemalige Geschäftsleiter Paul Brändli zu seinem Abtritt (PDF). Und er weiss in Bezug auf die laufende Revision des VREG: «Wer global nach etwas Vergleichbarem sucht, wird nichts Besseres finden.»
(Marco Rohner)
Weitere Themen:
Neueste Artikel von Marco Rohner (alle ansehen)
- Bund beschafft freihändig 49 Mio. Franken Auftrag von Oracle - 24. November 2016
- Ubuntu und Kubuntu 16.04 LTS im Test - 21. Oktober 2016
- Labdoo.org gewinnt Lenovo Schweiz - 4. Juli 2016
Yeah! Real Swiss made! We loving it!
#2liveCREW