Über 1300 Teilnehmer begaben sich auch dieses Jahr wieder an die X-Days im Kursaal Interlaken zu Networking, Weiterbildung und Inspiration, diesmal unter dem Thema «Heute Idee – Morgen Realität». Auch dieses Jahr boten die X-Days wieder ein eklektisches Programm aus Vorträgen, Diskussionsrunden und Unterhaltung.
Was bewegt wohl derart viele Personen aus der ganzen Deutschschweiz (ein paar Romands waren auch dabei) an kalten Wintertagen nach Interlaken zu reisen? Kollegen treffen? Fachwissen anschaffen? Berühmtheiten live hören und sehen? Eine gute Dose Futurismus und Motivation über sich ergehen lassen? Auf alle Fälle boten auch dieses Jahr die X-Days wieder ein eklektisches Programm von Keynotes, Fachvorträgen, Diskussionsrunden und Unterhaltung. Getragen wurde auch diesmal die Veranstaltung von Microsoft, Canon und EMC, begleitet von 76 Partnerfirmen.
Computer, mein Freund
Miriam Meckel der Universität St. Gallen sprach in ihrer Keynote zum Thema: «Heute Mensch – Morgen Maschine? Über den Merger von Körper und Computer, Software und Geist.» Die Schnittstellen zwischen Mensch und Computer würden immer kleiner, wachsen an uns heran und werden irgendwann ganz unsichtbar. Das macht zwar den Umgang mit dem Netzwerk effizient und bequem aber hat auch Konsequenzen auf unser Mensch sein.
Sich auf den Test von Turing berufend (spreche ich mit einem Mensch oder einem Computer?) und dessen Implementierung in Systemen wie Cleverbot, betont Meckel, dass Suchmaschinen so programmiert seien, dass sie uns schlussendlich nur noch das liefern, was unseren Präferenzen entspreche. «Wir befinden uns dann in einem Tunnel, die Aussenwelt wird irgendwie ausgeschlossen. Die Gefahr ist gross, dass wir den Computer, dessen Antworten berechnet und nicht erdacht werden, für uns denken lassen.»
Innovation teuer verkaufen – so lang es geht
«Die Wirtschaft wird immer auf und ab gehen, diese Volatilität muss angenommen werden, aber wie kommen wir aus den Tälern heraus?» fragte Hansjörg Bullinger der Frauenhofer-Gesellschaft in seinem Vortrag «Quellen des neuen Wachstums – Schlüsseltechnologien für Märkte von morgen». Die Produkte müssen «megacity-tauglich» sein. Unsere einzige Chance ist, schneller und innovativer zu sein, um teuer verkaufen zu können, bevor es die Anderen billiger auch machen. Erfolgreiche Unternehmen haben klare Strategien. Die tragenden Märkte von morgen sind Gesundheit und Ernährung, Schutz und Sicherheit, Mobilität und Verkehr, Information und Kommunikation, Energie und Wohnen.
Erfolgreiche Produkte müssen einen signifikanten Beitrag zu diesen Gebieten leisten. Rezepte: Innovationskultur pflegen, das beste Team und die besten Arbeitsbedingungen aufsetzen, Wille zum Erfolg besitzen, laufend Qualität und Ergebnis kontrollieren. Grosses Potential existiert im Gebiet der Energieversorgung: ein Drittel der Energie kann durch intelligente Netze und intelligenter Verwendung von Stromquellen erspart werden. Wenn der Wind bläst, Windkraftanlagen einsetzen, falls nicht, andere Energiequellen benutzen.
Der kritische Geek
«Der Manager von Morgen – Unternehmungsführung im digitalen Zeitalter» hiess der Beitrag von Johannes Kleske, Gründer und Leiter von Third Wave. Jedes Unternehmen muss digital werden, behauptet er. Als Beispiele zitiert er so IT-entfernte Geschäfte wie Starbucks oder Burberry, die beide interessante Online-Werkzeuge entwickelt haben, um die Treue ihrer Kundschaft zu sichern. Veränderung ist die neue Konstante. Der Manager solle nicht fragen: muss ich da mitmachen? Sondern: was kann ich damit machen? Er muss sich der Technologie eröffnen; der Manager von Morgen ist ein kritischer Geek.
Die Antwort auf Technologie-Angst heisst: mehr verstehen. Man müsse nicht alles annehmen, sondern die Trends bewusst gestalten. Im digitalen Zeitalter haben Unternehmen flache Strukturen. Leute arbeiten am besten wenn sie das tun, was sie gerne machen: Den Angestellten wie ein Erwachsener behandeln, ihm vertrauen. Das Misstrauen kommt aus dem industriellen Zeitalter. Für dynamische Mitarbeiter seien zum Beispiel gesperrte Dienste wie Facebook oder Twitter wie ein Arbeitsplatz ohne Telefon oder E-Mail.
Wir haben es geschafft
Motivationsvorträge dürfen bei einem derartigen Anlass natürlich nicht fehlen. Ernesto Graf beschrieb wie er und Kollegen aus einem kleinen Gassentheater eine riesige Freiluftschau bauten: Karls Kühne Gassenschau, mit über einer Million Besuchern. Trotz riesiger technischer und finanzieller Probleme, Widerstände, Schicksale der Natur und interner Streite. Zutaten des Erfolgs: Leidenschaft, Fantasie, Präzision, Mut, Kreativität und Zeitdruck.
Eine andere Erfolgsgeschichte ist die Gründung des Swiss Economic Forum (SEF) durch Stefan Linder und Peter Stähli. Was es braucht, um in fünfzehn Jahren die grösste Wirtschaftsveranstaltung der Schweiz zu bauen, jährlich ausverkauft mit 1300 Unternehmern aus allen Branchen? Wie man Leute wie Al Gore, Richard Branson oder Kofi Annan überzeugt, Beiträge zu leisten und gleichzeitig aus ihnen Freunde macht?
Zweifel, Zweifel
«Heute Idee. Morgen Realität. Übermorgen vergessen?» So lautete das Thema der von Regula Elsener moderierten Podiumsdiskussion mit Meckel und Bullinger, Raul Krauthausen und Ernesto Graf. Irgendwie sind den Teilnehmern die raschen Veränderungen doch etwas unheimlich. Brauchen wir das alles? Ist diese Raserei notwendig? Ist die IT-Branche dafür schuldig? Hat sie unser Leben verändert? «Nicht das Handy ist schuld, dass wir keine Zeit haben», meint Bullinger. Wir müssen unsere Zeit organisieren, Prioritäten setzen. «Es braucht Bildung in der Schule und im Unternehmen», bestätigt Meckel, jeder muss sich aber selbst bevormunden. «Sind wir Geiseln des Systems geworden?» Dies fragt Raul Krauthausen. Ist es realistisch, irgendwo abzuschalten? Jeder überlege sich, wo er einen Stopp setzen möchte, meint Ernesto Graf.
Vernetzen uns diese Technologien oder isolieren sie uns? «Sie verändern unser Leben, unsere Arbeitsweise. Wir müssen lernen, damit umzugehen», sagt Bullinger. Jedes Werkzeug kann gut oder schlecht sein, wichtig ist was man daraus macht. Ist wirklich jede Innovation nachhaltig? Raul Krauthausen: «Nicht alles muss nachhaltig sein, es gibt viel zu viel Müll.» Search, Mobilität, Social Media, Twittern werden sicher bleiben, meint Meckel. Aber Google, Apple, Facebook, Twitter? Wie Bullinger sagt, drehe sich das Rad der Zeit nicht zurück; wir dürfen uns aber von diesen Technologien nicht die Zeit für kreatives Denken stehlen lassen.
(Jean-Luc Perrenoud)
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