VMware hat unter Pat Gelsinger im letzten Jahr einen strukturierten Fokus erhalten. Das Unternehmen aus Palo Alto präsentiert sich anders als unter seinem Vorgänger Paul Maritz, einem der genialsten Technologie-Strategen der Informatik. Die Keynote des CEO war deshalb weniger von Visionen geprägt. Gelsinger ist klarer. Dies braucht VMware, um gegen Microsoft und Openstack zu bestehen.
Der Platzhirsch im Rechenzentrum mit Standard-Server ist stärker den je herausgefordert, die 500’000 Kunden bei sich zu behalten und gleichzeit neue Felder zu erobern. Während VMware im Rechenzentrum den Atem von Hauptkonkurrent Microsoft und dessen Hyper-V im Nacken spührt, sowie die Open-Source-Angebote wie vor allem Openstack markant am Horizont auftauchen, sind Amazon und Google die grössten Konkurrenten und Platzhirsche im Internet-Markt, der sogenannten «Public Cloud». Dort will VMware nicht nur an der Schnittstelle, sondern vermehrt auch selbst mit einer eigenen Cloud mitmischen, um den Unternehmenskunden schnell und flexibel Computer-Kapazitäten anzubieten. Die VMware-Cloud ist nach dem Start mit SAP in den USA nun auch in Europa erhältlich. Microsoft hat mit Azure aber schon einen weiten Vorsprung auf VMware. Der Software-Gigant aus Redmond betreibt eigene Rechenzentren und baut massiv aus, VMware mietet sich bisher nur in Rechenzentren ein. «Ich kann mir gut vorstellen, dass wir in Zukunft in eigene Rechenzentren investieren werden», sagte Gelsinger an der Pressekonferenz nach seiner VMworld-Keynote.
Konkurrenz der Plattformen mit Microsoft
Gelsinger will als CEO derjenigen Firma, die seit der Gründung 1998 eine der grössten Software-Erfolgsgeschichten der Informatik schrieb, nun anstatt mit Software flexibel zu bleiben und den De-Facto-Standard für die x86-Architektur fokussiert auszuweiten, die Dominanz in Rechenzentren einbetonieren. VMware signalisiert als «Leader», auch mal zum «Follower» zu werden. Gelsinger hat darin Erfahrung aus seiner Intel-Zeit mit der Leistungs-Aufholjagd auf AMD in den 2000er-Jahren. Intel hat AMD, mit dem Tick-Tock-Zyklus und auch mit ein paar illegalen Tricks, wir erinnern uns an die saftige Busse wegen Marktmanipulation, weit überholt. Mit der Server-Virtualisierung befinden sich VMware und Microsoft in einer Konkurrenz der Plattformen, wobei VMware gegenüber anderen Anbietern viel offener ist. Während Microsoft bis 2012 brauchte, um Linux und MySQL in Azure anzubieten, stellt VMware für jeden Wunsch Schnittstellen bereit, auch zu grössten Konkurrenzprodukten, zum Beispiel zu lokalen Instanzen mit Openstack oder zu öffentlichen Instanzen bei Azure, Rackspace und Amazon Web Services. Wer zum Beispiel einen Cloud-Server von Rackspace (betrieben mit Openstack) in die eigene Umgebung ziehen will, kann dies auch in eine VMware-Umgebung mit Openstack-Instanzen tun, eventuell mit leichten Hacks – Rackspace und VMware haben diese Möglichkeit gegenüber Greenbyte.ch auf der VMworld bestätigt.
EMC steuert im Hintergrund
Paul Maritz, ehemalige Nummer 3 von Microsoft hinter Bill Gates und Steve Balmer, konzentriert heute sich beim EMC- und VMware-Spinoff Pivotal auf Big Data und «Plattform-as-a-Service» (PAAS). Maritz war auch in Barcelona und besuchte zusammen mit Gelsinger sowie Ex-CTO Steve Herrod die Versammlung der VMware User Group. Herrod war seit 2001 als CTO in einer prägenden Rolle für VMware und für das Software-definierte Rechenzentrum. Er verliess den Posten zu Beginn des Jahres, ist heute aber noch Technologieberater, doch vor allem Managing Director des Venture-Capital-Unternehmens General Catalyst. Maritz scheint sich mit der neuen Rolle besser abzufinden als seine Vorgängerin Diane Greene. Die ehemalige VMware-CEO und Frau des Mitgründers und ehemaligen Chief Scientist Mendel Rosenblum wurde 2008 von EMC-Präsident Joe Tucci eine andere Positition nahe gelegt, die sie ablehte und ging. EMC übernam VMware im Jahr 2004. Rosenblum folgte seiner Frau wenige Monate später. Der Erfinder von SimOS und Vater der ESX-Technologie forscht immer noch in Stanford. Sein Name fiel auch dieses Jahr auf der grossen Bühne. Der Erfinder des Netzwerk-Hypervisor Martin Casalo nannte Rosenblum wärend der NSX-Präsentation auch als wichtige Person für den Netzwerk-Hypervisor – auch wenn er wohl nur meinte, dass er und Rosenblum in Stanford arbeiten.
Openstack wächst als Konkurrenzprodukt
Am Beispiel von Casado zeigt sich die Gegenwart von VMware: Er kam mit einem Team von Nicira für 1,25 Milliarden Dollar zu VMware. Mit schlauen Übernahmen kann die eigene Software ausgebaut und für die Gegenwart und Zukunft ausgebaut werden. Im Falle der Netzwerk-Virtualisierung war dies bereits seit langem in Openstack integriert. Von Openstack aus drückt die grösste zukünftige Konkurrenz von VMware. Die Plattform hat nicht nur mit den Initianten Rackspace und NASA, sondern mit der Deutschen Telekom (Business Marketplace), der Wikimedia Labs und dem CERN starke Unterstützer. Beispielsweise wird sie auch von HP für ihre Public Cloud und das RZ-Container-Angebot «Converged Infrastructure» genutzt. Als anderes Beispiel hat Dell die eigene Public Cloud im Mai aufgegeben, die sowohl mit Openstack wie auch mit VMware-Software lief. Dell sagte als Grund, dass man das Feld lieber den Partnern überlasse. VMware lebt derzeit fast nur von den Partnern. Doch die weltweit tätigen Grossunternehmen haben laut Gelsinger eine VMware-Public-Cloud gefordert. Erste Kunden sind E-Bay, die Citi-Group. Der «vCloud Hybrid Service» ist ein zweihändiges Schwert, dass besser mit beiden Händen geführt wird. Bisher ist VMware nicht dafür bekannt, unüberlegte Entscheidungen zu fällen. Das wird mit dem klaren Verstand von Pat Gelsinger auch so bleiben.
(Marco Rohner, Barcelona)
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