Linux 3.4: Mai im Kernel-Rückblick

Anzeige:

Der Linux-Kernel, auf den alle Distributionen wie Ubuntu, Fedora und Red Hat Enterprise  aufsetzen, ist im Mai in der finalen Version 3.4 erschienen. Mathias Menzer erklärt die Neuheiten. Das Dateisystem BTRFS ist leistungsfähiger und sicherer, aber noch nicht für den produktiven Einsatz empfohlen. Der Grafiktreiber Nouveau hingegen unterstützt die aktuellen Grafikchips von AMD und Nvidia und ist produktiv einsetzbar. 

 

Klick zum Vergrössern: Die Karte des Linux-Kernels. (pd)

Zusammen mit der letzten Ausgabe des Linux-Kernel-Rückblicks gab es die sechste Entwicklerversion (RC) des Kernels 3.4. Diese Version hatte durchweg Fehlerkorrekturen im Programm. Die Ausnahme waren Änderungen am Controller für die USB-2.0-Schnittstelle des Tegra-Chipsatzes von Nvidia. Der Treiber für das Energie-Management wurde den Spezifikationen anderer USB-Treiber entspechend angepasst. Somit können Entwickler künftig standardspezifische Methoden anstelle von treiberspezifischen Vergehensweisen nutzen; gleichzeitig bleibt der Treiber ohne grössere Nacharbeit kompatibel zu den laufenden Änderungen an den USB-Kernkomponenten.

Anzeige:

Die herausstechendste Änderung der Version RC7 war die Rücknahme einer Behelfslösung für ein Problem zwischen dem i2c-Datenbus und dem freie Grafiktreiber Nouveau. Sie war als Quelle anderer Probleme erkannt worden und konnte wieder entfernt werden, da das ursprüngliche Problem des i2c-Datenbus behoben wurde. Dies blieb dann allerdings die letzte Entwicklerversion, denn anstelle eines RC8 gab Torvalds den Kernel 3.4 frei. Er konnte noch die Korrektur eines Fehlers mit dem Linker vorweisen, der beim Kompilieren und Linken von x86-spezifischen Code auftritt.

 

Verbessertes Dateisystem und Grafiktreiber von Linux 3.4

Tux, the Linux penguin

Tux, der Linux-Pinguin (Wikipedia)

Mit nur 63 Tagen Entwicklungsdauer zählt Linux 3.4 zu den schnell entwickelten Kernel-Versionen, ähnlich wie Linux 3.0 mit 64 Tagen. Dies tut den enthaltenen Neuerungen jedoch keinen Abbruch. Das Dateisystem BTRFS wird derzeit noch nicht für den Einsatz in produktiven Umgebungen empfohlen, doch die Entwicklung bewegt sich mit grossen Schritten vorwärts. Das Retten von Daten aus einem zerstörten Dateisystem hat das neue Werkzeug «BTRFS-Restore» zum Ziel. Metadaten, also Informationen rund um die eigentlichen zu speichernden Daten herum, können nun in bis zu 64 KB grossen Blöcken abgelegt werden. Bislang waren maximal 4 KB möglich. Dies soll zu weniger Fragmentierung führen, was sich wiederum besser auf die Leistung auswirkt. Ebenfalls neu gibt BTRFS dem Nutzer nun aussagekräftige Fehlermeldungen aus und versetzt sich selbst in einen Nur-Lesen-Modus.

Auf der Grafik-Seite braucht sich Linux 3.4 nicht zu verstecken. Die neuen Kepler-Chips (GeForce 600 Serie) von Nvidia werden fast von Beginn an von dem freien Treiber Nouveau unterstützt, wenn auch noch ohne die 3-D-Beschleunigung. Auch mit der Radeon-7000-Serie und den Grafikeinheiten der Trinity-Prozessoren von AMD kann Nouveau nun umgehen. Daneben wurde der Treiber aus dem Staging-Bereich entlassen – er wird als tauglich für den breiten Einsatz angesehen.

Weiterhin wird nun auch die Grafikkomponente von Intels GMA-500-Chipsatz unterstützt, wenn dies im Moment auch nur als experimentell anzusehen ist. GMA-500 oder «Medfield» ist eine Plattform, die für den Einsatz in Smartphones vorgesehen ist. Ein kleines Highlight stellt die neue Schnittstelle x32-ABI dar. Mit ihr lassen sich 32-Bit-Programme in 64-Bit-Betriebsystemen betreiben. Zwar existieren dafür bereits Schnittstellen wie x86_64 und i386, von x32 verspricht man sich aber eine bessere Leistung. Jedoch müssen Programme speziell für x32 kompiliert werden.

 

Treibertest, Sicherheitsmodul und Leistungsmass

Bei Gerätetreibern kommt neu «Autoprobing» zum Einsatz. Dies erkennt automatisch ob Treiber und Module verfügbar und geladen sind, um CPU-Erweiterungen zu nutzen. Das Sicherheitsmodul »Yama» erweitert den Kernel um Funktionen rund um den Systemaufruf »ptrace». Yama verhindert, dass Prozesse auf den Speicherbereich und die Statusinformationen anderer Prozesse übergreifen können.

Der Leistungsmesser «perf» gibt nun Reports mittels einer auf GTK2-basierenden Bedienoberfläche aus. Er misst Systemleistung, um beispielsweise Änderungen am Kernel oder Eigenentwicklungen zu untersuchen. Es wird nun etwas einfacher, um die Ausgaben auszuwerten. Die Oberfläche ist allerdings noch ausbaufähig.

 

Netflix schleust Hardware-Check in Linux ein

Mancher mag nicht sicher sein, ob «dm-verity» tatsächlich im Interesse der Linux-Anwender liegt. Diese Erweiterung für den Device Mapper ermöglicht gesicherte, nicht beschreibbare Dateisysteme, deren Inhalt mittels kryptografischer Prüfsummen verifiziert wird. So wird bei jedem Lesezugriff sichergestellt, dass die Information auch die ist, die irgendwann einmal hineingelegt wurde. Dies liesse sich zum Beispiel zum Absichern von Unterhaltungshardware nutzen, so dass nur überprüfte Firmware zum Einsatz kommt, wie dies zum Beispiel ChromeOS bereits vormacht. Als kleine Anekdote hierzu: Ein Mitarbeiter des Online-TV-Dienstes Netflix bat um die Aufnahme der Erweiterung in den Kernel mit dem Hinweis auf Unterhaltungsgeräte, die mit Linux betrieben werden. Weitere neue Funktionen und Treiber, allerdings nur in Englisch, bietet KernelNewbies.org.

 

Vorschau auf Linux 3.5

Das Merge Window für Linux 3.5 war zu Redaktionsschluss noch offen. Insofern muss es noch nichts bedeuten, dass bislang kaum Änderungen für das Dateisystem BTRFS in die Entwicklerversion des Kernels aufgenommen wurden. Anders dagegen sieht es bei den Netzwerk-Dateisystemen NFS und CIFS aus – hier findet sich bereits eine Vielzahl an Korrekturen in der Liste der eingegangenen Patches. Auch der Nouveau-Treiber weist bislang hauptsächlich Fehlerkorrekturen auf.

Eine theoretisch kleinere Umstellung der Schnittstelle eines Treibers für die Fehlerkontrolle von Arbeitsspeichermodulen (EDAC) dürfte Staub aufwirbeln. Hier müssen in nächster Zeit viele Treiber angepasst werden, die auf diese Komponente aufbauen, was eine Vielzahl an zu ändernden Dateien im Kernel-Tree bedeutet. Konkret wurden bislang die Treiber für Intels Core-Serie (Core i3, i5, i7) sowie einige Xeon-Plattformen angepasst. Verschiedene AMD-bezogene Treiber und auch andere Hersteller und Architekturen werden noch im Kernel 3.5 folgen.

(Mathias Menzer)

Creative Commons Lizenzvertrag

The following two tabs change content below.
Mathias Menzer
Mathias Menzer behält die Entwicklung des Linux- Kernels im Blick, um über kommende Funktionen von Linux auf dem Laufenden zu bleiben und immer mit interessanten Abkürzungen und komplizierten Begriffen dienen zu können.