Der Linux-Kernel, auf den alle Distributionen wie Ubuntu, Suse und Red Hat Enterprise Linux aufsetzen, ist im Juni im Zeichen einer kleinen, aber wegweisenden Pause gestanden: dem Millennium Preis für Linus Torvalds. Mathias Menzer berichtet zu Linux 3.5, dass der Arbeitsspeicher höher ausgelastet ist, KVM für Power-PC optimiert ist, die Netzwerktechnik Token Ring rausfliegt und Tilera-GX-Prozessoren unterstützt werden.
Anfang Juni hat Torvalds das sogenannte Merge Window für Linux 3.5 abgeschlossen und die erste Entwicklerversion veröffentlicht. Die Anzahl der Änderungen hielt sich im Rahmen der vorherigen Kernel-Versionen. Torvalds machte auf den «CoDel Packet Scheduler» aufmerksam. CoDel steht für Controlled Delay (gesteuerte Verzögerung) und soll die Grösse des Warteschlange für zu sendende Netzwerkpakete entsprechend des Netzwerk-Durchsatzes anpassen. Zudem wurde die Virtualisierungsoftware KVM für die Power-PC-Architektur überarbeitet. Die Power-PC-Prozessoren sind beispielsweise im Einsatz in Supercomputern wie IBM BlueGene, sowie in Servern und Embedded-PC.
Aus dem Bereich der x86-Architektur wurde die Unterstützung des alten und vermutlich sowieso nicht mehr genutzten MCA-Bus entfernt. Neu zum Kernel hinzugekommen sind die Grafiktreiber der 200er Serie von ASpeed Technologies sowie der alten G200-Chipsätze von Matrox. Ebenfalls neu ist ein Treiber, der einen Cirrus-Grafikchip unter QEMU emuliert.
Token Ring fliegt raus
Die Unterstützung für Token Ring wurde vollständig entfernt. Altgediente Netzwerker könnten sich wohl ein Tränchen nicht verkneifen. Diese Art der Computervernetzung war eine frühe und äusserst stabile Art um Datenpakete zu übertragen. Letztlich konnte die Übertragungsrate jedoch nicht mit dem heute üblichen Ethernet mithalten. Verbesserte Verkabelung erhöhten zwar die Toleranz gegenüber Fehler, jedoch konnte sich Token Ring letztlich nicht durchsetzen. Nun übersteigt er Pflegeaufwand im Linux-Kernel den Nutzen aus Sicht der Entwickler.
Entwicklerversion Nummer 2 (RC2) von Linux 3.5 folgte bereits sechs Tage später. Der Grund dafür war nicht, dass keine Änderungsvorschläge, sogenannten Pull Requests, mehr bei Torvalds eingegangen wären. Torvalds nahm eine Reise in seine Heimat Finnland auf, um den Millenium-Preis der finnischen Akademie für Technologie entgegenzunehmen (GNU/Linux revolutioniert Informatik). Entsprechend ist Linux 3.5 RC2 auch etwas kleiner als sonst.
Linux 3.5 optimiert Arbeitsspeicher
Linux 3.5 RC2 bringt mit «Frontswap» den zweiten Teil des transzendenten Arbeitsspeichers. Der erste Teil, Cleancache, wurde bereits im Mai 2011 eingeführt. Die Idee hinter Transcendent Memory ist das bessere Ausnutzen des Arbeitsspeichers, indem dieser maximal möglich belegt wird. Weiterhin verwenden Cleancache und Frontswap verschiedene Tricks wie Deduplizierung und Komprimierung, um möglichst viele Daten auf dem Speichervolumen unterzubringen.
Die Idee hinter Transcendent Memory ist das bessere Ausnutzen des Arbeitsspeichers, indem dieser maximal möglich belegt wird.
Frontswap wird künftig die letzte Chance für wenig genutzte Speicherbereiche sein, um nicht direkt in den langsameren Swap-Bereich auf der Festplatte verschoben zu werden. Dabei wird nicht garantiert, dass Frontswap übergebene Speicherseiten auch annimmt. Jedoch ist gewährleistet, dass diese auch später noch vorhanden sind. Bei Cleancache sieht das etwas anders aus. Die hier gespeicherten Daten können zu einem späteren Zeitpunkt verschwunden sein, weshalb sich für Cleancache nur die Ablage redundanter Daten empfiehlt, um sie im Cache zwischen zu speichern.
Kernel-Premiere für Tile-GX-Prozessoren von Tilera
Ein kleines bisschen grösser war die dritte Entwicklerversion (Linux 3.5 RC3). Die Änderungen sind jedoch fast durchgängig mit den Worten «fixes» und «updates» beschrieben. Eine der wenigen Ausnahmen stellt die Aufnahme eines Treibers für die Netzwerkkomponente von Tileras Tile-Gx-Prozessorfamilie dar. Sie trug auch direkt knapp der Hälfte der hinzugekommenen Code-Zeilen bei. Die 64-bit-Mehrkern-Prozessoren von Tilera verfügen über 16 bis 100 Kerne, um Applikationen zu beschleunigen.
Weitere KVM-Korrekturen für die PowerPC-Architektur hat Linux 3.5 RC4 mitgebracht. Unter anderem gewürzt von Korrekturen des i915-Treibers für Intel-Grafiken. Die Korrekturen sollen unnötige Abfragen am Displayport (Bildausgabe) verhindern, die zum Flackern eines angeschlossenen Bildschirms führen können. Die am meisten auftragende Änderung des eigentlich recht kleinen RC4 waren Korrekturen an “printk()». Dies ist eine Schnittstelle für die Ausgabe von Kernel-Meldungen an «dmesg», «Syslog» und die Konsole. Nun können auch Binärdaten, die im Ausgabepuffer landen, weitergereicht werden.
(Mathias Menzer)
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