T-Systems und Intel erforschen Rechenzentrum-Effizienz. Rainer Weidmann hat in Zürich gezeigt, wie höhere Rack-Dichte und Raum-Temperatur einen Drittel Strom sparen. Greenbyte.ch unterzieht die Resultate dem Praxischeck in Equinix’ neuem Zürcher Rechenzentrum.
Trends wie Big Data, Mobilität und Cloud Computing erfordern grosse, dynamische Rechenkraft aus Rechenzentren (RZ). Planung und Bau kosten Millionen. Doch die Betriebskosten sind noch höher. Die Erbauer müssen das Energiesparen vorausplanen und die RZ-Betreiber sollten mit höheren Energiedichten rechnen, um effizienter mit den Kosten umzugehen. «Die Energiedichten sind heute bei drei bis fünf Kilowatt pro Quadratmeter realistisch, wenn man man die Entwicklung der letzten Jahre beobachtet», berichtete der Managing-Consultant von Detecon Rainer Weidmann im Frühjahr am 3. Event für Data Center Management von Extendance. Er rechne aber mit einem Trend zu höheren Dichten pro Rack von bis zu 22 Kilowatt und mehr. Weidmann war vor Detecon über 13 Jahre für die Rechenzentren von T-Systems zuständig: Ab 1999 als Vice President Datacenter Infrastructure und von 2007 bis 2012 als Senior Datacenter Architect & Consultant des Projekts Datacenter 2020 (DC2020).
Dichten bis 32 Kilowatt pro Rack
Grosse Cloud-Anbieter drücken die Dichte pro Rack sogar bis auf 32 Kilowatt, wie Marco Dottarelli, Managing Director von Equinix Schweiz gegenüber Greenbyte.ch sagte. Equinix hat im Juni das erste eigene, selbst in der Schweiz gebaute Rechenzentrum in Oberengstringen eröffnet – deren fünftes in Zürich. (Mehr dazu lesen sie hier: Equinix feiert fünftes Zürcher Rechenzentrum). Equinix bietet dort Platz und Dienste wie Netzwerk-Management für die Server von Unternehmenskunden. Sie rechnen mit einer Standard-Dichte von 4 Kilowatt pro Rack für Standard-Server und empfehlen bis zu 12 Kilowatt pro Rack für Blade-Server, dann werde aber zusätzliche Kühlung im Rack nötig, was auch die Betriebskosten und den Platzbedarf steigere. 32-Kilowatt-Racks liessen sich mit zusätzlicher Kühlung und Kühlraum von einer ganzen Rack-Breite zwischen den Einheiten realisieren. «Das ist eigentlich nicht günstiger als mit kleineren Dichten, sondern teurer, weil wegen dem Kühlproblem nicht mehr Leistung pro Quadratmeter herausholen lässt – aber diese sehr hohe Systemdichte sind die klaren Anforderungen des Kunden», so Dottarelli gegenüber Greenbyte.ch.
ROI von 20 Monaten mit heutiger Technologie
Der Return-on-Investment stehe heute bei einem energieeffizienten RZ mit heute verfügbaren Technologien bei 20 Monaten. Dies haben Intel und T-Systems gemeinsam im Projekt Datacenter 2020 (DC2020) erforscht. Am Standort München wurde seit Projektstart im Jahr 2007 ein RZ-Labor aufgebaut. Das Klima in München ist auch für die Schweiz aussagekräftig.
T-Systems übernahm die Erkenntnisse des Projekts Datacenter 2020 direkt in den Bau des 30’000 Quadratmeter grossen Rechenzentrums in Magdeburg (D). Dort werden zukünftig die verschiedenen RZ-Standorte von T-Systems konsolidiert. Weidmann leitete die Forschung des Projekts für T-Systems und wechselte nach dem Abschluss der ersten Phase zu Detecon. «Ich nutzte die Gelegenheit, um die Erkenntnisse gleich bei weiteren Unternehmen in die Tat umzusetzen», sagte Weidmann gegenüber Greenbyte.ch.
Einfache Massnahmen schrumpfen Betriebskosten
Die konventionelle Weise des RZ-Baus schliesst die Server-Racks in Gruppen zusammen, in geschlossene Gänge (Cold Aisle oder Hot Aisle). Mit diesen einfachen Massnahmen verbessert sich die Stromeffizienz bereits um einen Drittel. Nur mit diesen Gängen verbessert sich die Effizienz des Rechenzentrums von PUE 2 auf 1,3. Den Unterschied macht Aero- und Thermodynamik: der Luftstrom lässt sich besser kontrollieren. Die klare Trennung ergibt weniger Luftlecks durch den Doppelboden, der Luftfluss ist effizienter und somit wird die Wärme besser von den Servern abgeführt. Die Kühler bekommen wärmere Luft mit 38 Grad Celsius anstatt 24 und können so besser arbeiten. Auch die Ventilatoren müssen wegen des effizienteren Luftflusses nur noch mit 30 Prozent laufen.
In der Grafik der «Free Cooling Period» sichtbar, reduzieren sich die Betriebsstunden der Chiller ebenso um zwei Drittel. Chiller sind als Klimageräte sehr stromintensiv. Sie sprühen kühles Wasser als Nebel in die Luft, um die Temparatur auch an heissen Tagen auf das vorgegebene Niveau abzukühlen. Je höher das Temparatur-Niveau, desto weniger Strom verpusten die Chiller.
Wird zusätzlich die Anström-Temperatur der Server-Kühlluft von 22 Grad Celsius auf 27 Grad erhöht, arbeiten die Chiller fast gar nicht mehr an einem Ort wie München. Es wird nur noch die Luft und das Wasser gekühlt, die die Wärme aus den Räumen leiten. Der PUE sinkt bis auf 1.25 – von über 2 zu Beginn ein riesiger Fortschritt.
Equinix erhöht Anström-Temperatur der Server
Im neuen Equinix-Rechenzentrum «ZH5» in Oberengstringen misst die Anström-Temperatur, also derzeit 24 Grad Celsius als Standard. «Derzeit kann die Standard-Temperatur bis 26 Grad Celsius hoch», sagte Sascha Kaufmann, Customer Operations Director von Equinix Schweiz, gegenüber Greenbyte.ch. Mehr sei geplant. Gemäss Schweiz-Chef Dottarelli seien auch Pläne für geringere Kosten bei höheren Temperaturen für Colocation-Kunden denkbar. Für höhere Temperaturen sei das System aber nicht ausgelegt. Die Designvorgaben des amerikanischen Unternehmens gelten weltweit, werden aber angepasst auf lokale Gegebenheiten. Weil noch ein grösserer Ausbau in Oberengstringen folgt, soll dann mit Ammoniak anstatt reinem Wasser als flüssiges Kühlmittel für die konstante Raumtemperatur sorgen. Ungeachtet der Umweltgefahr bei einem Unfall könne das giftige Gas Ammoniak im Wasser viel effizienter Kühlen, weil die Flüssigkeit mehr Wärme aufnehme und schneller wieder abgebe als reines Wasser. «Dann können wir die Raumtemperatur noch weiter erhöhen», so Kaufmann. Die Ammoniak-Variante ist wegen des unterschiedlichen Systems mit den DC2020-Resultaten aber nicht mehr direkt vergleichbar und würde einen neue PUE-Berechnung erfordern.
CO2-Reduktion ist bereits Vorschrift
Während Leistungsdichte und Stromkonsum aber vorwiegend dem Budget wohltun, hat T-Systems auch spezielle Ziele und Verpflichtungen zur Rettung des Planeten, die sie mit der Gründung einer internen «Climate Change Group» setzte. Die Vorgaben der Deutschen Telekom an T-Systems’ Rechenzentren enthalten die Reduktion des Treibhausgas-Ausstosses. Mit dem deutschen Bund als 40-Prozent-Aktionär der Telekom müssen konzerweit Treibhausgase massiv reduziert werden. Die Ziele der «Climate Change Group» sind im aktuell (per 26.07.2013) publizierten Corporate-Responsibility-Bericht von 2012 erwähnt. Darin gehen sie Emissionswerte eher nach oben als nach unten.
Das Gesamtergebnis der Emissionen (Scope 1 & 2) der Deutschen Telekom Gruppe sank aber 2011 auf das Niveau von 2009, bei den rapportierten T-Systems-Tochtergesellschaften stieg der Ausstoss zusammen genommen massiv wegen höherem Stromverbrauch. T-Systems-Sprecherin Juliana Meese erläutert dies gegenüber Greenbyte.ch: «Im Berichtszeitraum 2012 haben sich die Treibhausgas-Emissionen um rund 6 Prozent erhöht nach den GHG-Scopes 1 und 2. Dies ist vor allem wegen mehr Stromverbrauch bei vielen Landesgesellschaften entstanden, die unsere Scope-2-Emissionen um etwa 9 Prozent ausweiteten.» Zudem sei die Berechnungsweise der EPA angepasst und neue Ländergesellschaften wie Cosmote Romania im Bericht aufgenommen.
DC2020 erforscht Bau und Betriebsmanagement
Das Projekt DC2020 dient der gemeinsamen Forschung der amerikanischen Halbleiter- und Server-Herstellerfirma Intel und dem IT-Dienstleistungsunternehmen T-Systems, einer Tochterfirma der Deutschen Telekom. DC2020 ist in zwei Phasen aufgeteilt, den Aufbau und das Betriebsmanagement. Weidmann berichtete über die bereits abgeschlossene Phase 1 zum RZ-Aufbau, die zweite Phase läuft noch im Labor in München.
Präsentation: Luft- und Wärme-Analyse im DC2020-Rechenzentrum
(Marco Rohner)
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