Der Trend zu Cloud Computing hat auch ABB erfasst. Zielgerichtet investiert der Technologiekonzern ABB in das Ausrüster-Geschäft für Rechenzentren und beweist im boomenden Markt eigene Kompetenz. Seit kurzem arbeitet bei Green.ch eine Weltneuheit von ABB: Die Gleichstrom-Versorgung spart 30 Prozent Betriebskosten. HP nutzt das System im europäischen Cloud-Computing-Center.
Die Gebäudefläche von Rechenzentren wächst global 10 Prozent im Jahr. Die grössten belegen eine Million Quadratmeter, das entspricht 17 Fussballfeldern. In diesen Räumen verheizt das 100-fache der Energie eines ähnlich grossen Bürogebäudes. Der Schweizer Energie- und Automationstechnik-Konzern ABB ist seit über einem Jahrhundert im Geschäft mit elektrischer Energie. Die Unternehmen der ABB-Gruppe sind in rund 100 Ländern tätig und beschäftigen etwa 130’000 Mitarbeitende.
Über bestehende Geschäftsgebiete lieferte das Unternehmen schon in der Vergangenheit automatische Schalt- und Steuerungstechnik, wie am Beispiel des isländischen Thor Data Center in der Nähe von Reykjavik. Das Klima Islands in Kombination mit effizienter Technologie ergibt einen PUE-Wert von 1,07. Daran waren unter anderem auch IBM und AST Modular beteiligt.
Die heutige Infrastruktur von Rechenzentren (RZ) läuft mit Wechselstrom, doch Standby-Batterien, Mikrochips und weitere Komponenten benötigen Gleichstrom. Die elektrische Energie wird an fünf verschiedenen Stellen gewandelt. Dies kostet 20 Prozent des verbrauchten Stroms. Allein die CO2-Emissionen dieses Verlustes sind gleich gross, wenn ein Auto mit 89 Stundenkilometer für 308’000 Jahre ununterbrochen fahren würde. Das entspricht einer Distanz von der Erde zum Mars – und zwar 700 Mal hin und zurück.
«Die gesamten RZ-Betriebskosten fallen um 30 Prozent mit Gleichstrom-Versorgung» Franz Grüter, Green.ch
Der Schweizer Konzern baut nun über Zukäufe ein vielseitiges Angebot auf, um Zuverlässigkeit und Energieeffizienz von RZ zu erhöhen. ABB investierte in Power Assure, einen Software-Hersteller für Energie-Management und -Optimierung. Daraus entstand ein RZ-Management-Produkt, das den Energiekonsum vorhersieht und abstimmt. Das System analysiert dazu das IT-Auslastungsschema, die Wettervorhersagen sowie die Vertrags- und Stromversorger-Daten. 10 bis 50 Prozent Strom könne so gespart werden. ABB hat das Angebot aus Software, Hardware und Services in diesem Monat als Decathlon-Suite veröffentlicht.
Schweizer USV-Hersteller Newave ist jüngster Zukauf
170 Millionen Franken will ABB in Newave investieren, den Schweizer Hersteller unterbruchsfreier Stromversorgungen (USV) für Rechenzentren. Im Juli 2010 ging ein Bieterstreit um den britischen USV-Hersteller Chloride an Emerson verloren. Newave ist mit 210 Angestellten zehnmal kleiner als Chloride, das für 1,5 Milliarden Dollar den Besitzer wechselte.
Das Unternehmen Newave erwirtschaftete 2010 einen Umsatz von 80,6 Millionen Franken mit einem Reingewinn von 8,1 Millionen Franken. Den Grossteil des Umsatzes erzielt das Unternehmen im Mittel- und Hochleistungsbereich. Diese Bereiche wachsen jährlich 6 bis 10 Prozent. ABB schätzt das heutige USV-Marktvolumen auf 6 bis 7 Milliarden Dollar, der Mittel- und Hochleistungsbereich umfasse die Hälfte des Marktes.
ABB bietet bereits industrielle USV-Produkte an und stellt Komponenten dazu auch schon selbst her. «Der USV-Bereich ist organisch entstanden», sagte ABB-Pressesprecher Antonio Ligi gegenüber Greenbyte.ch. Der Newave-Geschäftssitz Quartino (TI) werde nach dem Kauf zu einem Hauptstandort für USV ausgebaut. 210 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten derzeit im 1993 gegründeten Unternehmen. «Die Übernahme entspricht der Strategie von ABB im Bereich Leistungssteuerung und Qualität wie auch dem Ziel der Division, auf ihre vorhandenen Stärken im Leistungselektronikbereich aufzubauen», so Ulrich Spiesshofer, Leiter der Division Industrieautomation und Antriebe bei ABB. Der Konzern werde eine schnelle, globale Präsenz für Newaves USV-Systeme bieten.
Rechenzentren sind ein neues Wachstumsfeld für ABB
Das Unternehmen hat im Mai über die Investment-Tochterfirma ABB Technology Ventures eine Mehrheitsbeteiligung an Validus DC Systems erworben, einem Anbieter von Gleichstromlösungen für Rechenzentren. Validus wurde 2002 als ein Spinoff von DSA/Encore gegründet, das Rechenzentren baut und ausrüstet. Das bisher bekannteste Projekt war das Rechenzentrum der Universität Syracuse (USA). Es wurde 2009 von IBM entworfen – als Beispiel für Gleichstrom-Rechenzentren und Energieeffizienz.
Jüngstes Projekt von Validus-Technologie ist das weltweit erste Gleichstrommodul für Rechenzentren, das ABB mit dem Software-Unternehmen IO auf den Markt bringt. Mit diesem Modul werden die modularen Produkte von IO um eine Gleichstrom-Variante von ABB erweitert. Ähnlich wie beim AC-Energieverteilungssystem von IO wird für das neue DC-Modul die standardorientierte Hardware und die Software-Architektur der Plattform IO Anywhere verwendet. Die AC- und DC-Module können mit dem ersten Betriebssystem für Rechenzentren IO OS verwaltet und optimiert werden.
HP nutzt DC-System für europäisches Cloud-Center
Der erste Einsatz des System findet im RZ Zürich West von Green.ch statt. Validus designte und entwickelte es speziell für das Schweizer ICT-Service-Unternehmen. Es hat Anfang Dezember als erstes Schweizer Rechenzentrum die offizielle Tier-3-Design-Zertifizierung bekommen. Tier-3-Design ist die zweithöchste Zertifizierung (aufsteigend von 1 bis 4) für das Verfügbarkeitsdesign eines Rechenzentrums. Sie belegt eine doppelt vorhandene Zufuhr von Strom und Kühlung. «Viele europäische Datacenter-Betreiber erheben Anspruch auf Tier 3, doch nur eine kleine Zahl wurde tatsächlich geprüft», sagte Franz Grüter, Verwaltungsratspräsident und CEO von Green.ch. HP ist seit der Eröffnung im April dieses Jahres in Lupfig. Der ICT-Grosskonzern nutzt die Kostenvorteile des neuen Systems für die gesamteuropäischen Cloud-Computing-Dienste.
Im aargauischen Lupfig installierte ABB eine vollständig redundante Gleichstrom-Energieverteilungslösung. Bei Telekommunikation-Anlagen ist Gleichstrom zwar sehr verbreitet, aber kaum existent in Rechenzentren; obwohl Umwandlungsverluste reduziert werden und deshalb weniger Strom verloren geht. Der Grund dafür war bei den elektromechanischen Leistungsschaltern zu suchen. Neue Mikroprozessor-gesteuerte Leistungsschalter können für eine hochverfügbare und belastbare Stromversorgung einer bestimmten Industrie angepasst werden.
Rechenzentren werden effizienter mit Gleichstrom-Weltneuheit
Server-Hardware wird mit 12 Volt oder 5 Volt Gleichstrom (DC) betrieben. Dazu hat jeder Server ein eigenes Netzteil. Dort wird in jedem Server einzeln der 230 -Volt-Wechselstrom (AC) aus der RZ-Stromversorgung umwandelt. Dieses mehrfache Wandeln des Stroms ist die eigentliche Krux an diesem System: Dadurch entstehen Stromverluste. Zum Wandeln geht zudem weitere Energie in Form von Wärme verloren, die abgeführt und gekühlt werden muss. Alternative Lösungen in AC-Rechenzentren dazu gibt es: Zum Beispiel sind laut einer Umfrage von «The Green Grid» mehr als die Hälfte der Rechenzentren weltweit mit Luft gekühlt, das sogenannte «natural cooling» wird in diesem Fall mit dem Fehlen einer Klimaanlage definiert.
«Viele europäische Rechenzentrum-Betreiber erheben Anspruch auf Tier-3, doch nur wenige wurden tatsächlich geprüft» Franz Grüter, Green.ch
In diesem neuen Versorgungssystem wird der Wechselstrom (AC) zentral in Gleichstrom (DC) umgewandelt. Grössere Wandler sind viel effizienter. Dies ermöglicht einen weiteren grossen Vorteil: Zentrale Gleichstromsysteme lassen sich effizienter kühlen, sind einfacher aufgebaut und benötigen weniger Platz. Laut ABB-Mitteilung bedeute weniger Komponenten auch kürzere Installations- und Wartungszeiten. Ein dritter Vorteil: Mit Solarzellen gewonnene Gleichstrom-Energie kann direkt in das Netz einfliessen.
Im Modul werden die modularen Produkte von IO um eine Gleichstrom-Variante von ABB erweitert. Ähnlich wie beim AC-Energieverteilungssystem von IO wird für das neue DC-Modul die standardorientierte Hardware und die Software-Architektur der Plattform IO Anywhere verwendet. Die AC- und DC-Module werden mit IO OS, einer Art Betriebssystem für Rechenzentren, verwaltet und optimiert.
ABB erreicht einen 20 Prozent besseren Gesamtwirkungsgrad mit dem DC-System. Grüter bestätigt dies: «Einige Hersteller bieten bereits Server ohne Netzteile an. Die gesamten RZ-Betriebskosten sind mit den Ersparnissen im Umfeld, wie der geringere Kühlaufwand, sogar 30 Prozent tiefer.» Laut Grüter würden erst wenige Server mit DC betrieben. «Das ist ein laufender Prozess. Der wirkliche Durchbruch kommt erst noch», so Grüter. Die meisten Hersteller müssen geeignete Server anbieten und die Kunden diese auch einsetzen. «Unsere Kunden reagieren extrem positiv. Auch HP nutzt die neuen DC-Server», erklärt Grüter. In diesem Fall kann ein beträchtlicher Teil der 80 Millionen Megawattstunden Strom pro Jahr eingespart werden, den die Rechenzentren global verbrauchen.
(Marco Rohner)
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