Regenwasser kühlt Swisscom-Cloud

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Swisscom stellt in Bern eines der grünsten Rechenzentren Europas fertig. Das 100 Millionen Franken teure Grossprojekt bezieht bis 4,2 Megawatt Leistung für die Swisscom-Cloud.

RZ Bern-Wankdorf_20.01.2014

Swisscoms Rechenzentrum entsteht auf dem Areal der ehemaligen Ruag-Waffenfabrik. (pd)

Die Schweiz ist aufgrund der guten Lage und Infrastruktur ein attraktives Land für Rechenzentren und Datenhorte im Zentrum Europas. Der Bau boomt einerseits wegen dem Datenwachstum, aber auch wegen zunehmendem Kostendruck auf die eigene IT-Abteilung und der damit verbundenen Konsolidierung von kleinen RZ-Flächen zu grösseren Anbietern, die mit höherer Effizienz produzieren. Allein der Schweizer Colocation-Markt sei laut Equinix’ Schweizer Managing Director Marco Dottarelli im Jahr 2010 bei 120 Millionen Franken mit 22 Prozent Wachstum pro Jahr eingeschätzt worden, wie er gegenüber Greenbyte.ch im Juni 2013 sagte. Die Markt-Volumen der IT-Outsourcer wie Atos, CSC, Swisscom und T-Systems sowie HP, IBM und Colt mit unzähligen anderen sind da nur soweit integriert, wie sie keine eigenen Flächen beanspruchen – das ist bei den genannten aber kaum der Fall.

Dieses Jahr geht ein weiteres RZ-Grossprojekt ans Netz. Im Juni 2013 hat nur eine Woche nach der Eröffnung  der Equinix-Rechenzentrums in Oberengstringen (ZH) auch Swisscom ein komplett neues RZ-Gebäude gefeiert, wenn auch nur als «Aufrichte». Green.ch eröffnet im Oktober die zweite Stufe des 100 Millionen Franken teuren Gleichstrom-Pionierbaus in Lupfig. Mit IX Swiss ist 2012 ein neues Unternehmen um den ehemaligen General Manager von Equinix Schweiz und Senior Vice President von Green Datacenter Frits van der Graaf in diesem Markt gestartet. Ein Markt um Flächen mit Anbietern wie Equinix, Interxion, Green Datacenter oder E-Shelter. IBM und HP sind ebenso im Schweizer RZ-Markt mit mehreren tausend Quadratmetern verankert, dazu kommen weitere IT-Outsourcing-Unternehmen wie Colt, T-Systems oder Würth Itensis mit eigenen Flächen plus Services.

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Produktiv-Betrieb startet ab Oktober

  • Swisscom RZ Bern-Wankdorf 2014
    Bildstrecke zum Swisscom-RZ in Bern-Wankdorf Erstausbau
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Der Produktiv-Betrieb des neuen Swisscom-Rechenzentrum (RZ) in Bern Wankdorf ist ab Oktober dieses Jahres geplant. «Die wichtigsten zwei Geschäftsanforderungen waren die Sicherheit und der Schutz der Daten, sowie die hohe Verfügbarkeit», sagte Robert Lehmann gegenüber an dem 4. Event Data Center Management der Beratungsfirma Extendence. Lehmann ist Head of Technical Object Management bei Swisscom IT Services. Die RZ-Dienstleistungen des Schweizer IT-Konzerns sind nicht mehr an der Poststrasse 6 in Ostermundingen. Das Gebäude ist bereits im letzten Jahr von Swisscom geleert worden. Dieselben Dienste kommen dann aus dem neuen RZ. Zusätzlich ist ein RZ in Zollikofen (BE) seit 2007 in Betrieb, das seinerseits bis 6000 Quadratmeter IT-Nutzfläche ausbaubar ist. Laut Lehmann für eine Ausfallsicherheit zwischen 97 bis 99,9 Prozent gesorgt. 99,9 Prozent  garantiert eine maximale Ausfallzeit von 4 Stunden im Jahr.

Cloud mit höchster Ausfall-Sicherheit

Der Bau auf dem Gelände von Ruag Real Estate sei für die höchste Verfügbarkeit nach dem Tier-4-Gütesiegel des Uptime Instituts gebaut. «Wir schätzen, dass bald der Zeitpunkt gekommen ist für der offizielle Anerkennung des Zertifikats», sagte Lehmann. Ein zertifiziertes Rechenzentrum nach Tier-4 des Uptime Instituts ist in Europa eine Seltenheit (Uptime Institute Tier Certification Map). Für die Schweiz scheint Green.ch der einzige Service-Anbieter mit gültigem Zertifikat zu sein. Einige andere sind zwar ebenso Ausfallsicher gebaut, aber nicht zertifiziert. Ein bekanntes Beispiel dafür sind die RZ von Equinix, eines der weltweit grössten Anbieters von RZ-Infrastruktur. 

Swisscom ist im neuen RZ beim Berner Wankdorf sowohl Nutzer wie auch Betreiber. Doch dabei bleibt es wohl nicht, sonst wäre auch ein Zertifikat nicht unbedingt nötig. Das RZ soll Outsourcing und Cloud Computing im Sinne von hochverfügbaren Diensten anbieten. Swisscom ist seit 2011 ein Anbieter von Infrastructure-as-a-Service (IAAS) basierend auf VMware vCloud. Diese Swisscom «Dynamic Cloud» wird ab diesem Jahr in Bern-Wankdorf und im Notfall oder auf Kundenwunsch parallel auch in Zollikon betrieben. 

Über 4 Megawatt auf 11’000 Quadratmeter

Swisscom Rechenzentrum Wankdorf - Endausbau-Illustration

Im Erstausbau (oben) sind 4 Module enthalten. Der Endausbau (unten) umfasst 7 Module mit gesamthaft 4,2 MW Netzleistung. (Illustration: RZIntegral)

Die Bruttofläche der Rechenzentrums beträgt 11’000 Quadratmeter mit 4,2 Megawatt Nutzleistung. Mit einer modularen Bauweise à 600 Quadratmeter grossen Computerräumen können die Gebäudezeile nach und nach in Betrieb gehen. 4 Module sind bereits in Betrieb, der Endausbau verfügt über 7 bis 8 Module.

Weil die Nachhaltigkeit bei Swisscom fast genauso wichtig ist wie alles andere, wurde zur Kühlung der Räume Regenwasser genutzt. Ein Regenwasser-Becken im Keller von 1600 Quadratmeter sammelt den Regen und leitet ihn als Kühlwasser in die Computerräume, um dort die Luft so abzukühlen, dass sie nie 28 Grad als Server-Eintrittstemparatur übersteigt. Nachdem die Raumwärme dann mit dem Regenwassers ans Fernwärme-Netz abgegeben wurde, schliesst sich der Kühlkreislauf wieder im Regenwasser-Becken. Für die Fernwärme erhält Swisscom 2 Rappen pro Kilowattstunde.

Free Cooling senkt PUE auf 1.25

Swisscom Rechenzentrum Wankdorf - Kühlung

Die erwärmte Luft in den Rechnerräumen (IT) wird mit Regenwasser im Kühl-Kreislauf zu den Wohnliegenschaften geleitet und dort zum Heizen genutzt.. (Swisscom)

Das Kühlkonzept mit Regenwasser und 28 Grad Temperatur an den Servern erfordert an nur 15 Stunden pro Jahr eine zusätzliche Kühlung mit stromintensiven Klimageräten – die die Betriebskosten und den Effizienzgrad in die Höhe treiben. Der Effizienzwert PUE (Power Usage Effectiveness) liegt für das RZ Wankdorf auf tiefen 1,25. Nur ein Viertel des Computer-Stromverbrauchs wird von Infrastruktur verbraucht. Umgerechnet entspricht dieser Wert 84 Prozent des Gesamt-Stromverbrauchs für IT-Geräte. 7 Prozent gehen für Elektrizität, Transformer und UPS verloren, 4 Prozent für die beschriebene Kühlung und weitere 4 Prozent für Ventilatoren, die für den Luftfluss sorgen.

In einem konventionellen Rechenzentrum in Europa, den eine IBM-Studie im Jahr 2007 mit PUE 1,95 bezifferte, wird rund 37 Prozent des Stroms von Kühlern und Ventilatoren verbraucht. Im RZ Zollikofen gibt Swisscom mit einem Idealwert-PUE von 1,31 an. Je mehr allerdings die Temperaturen über den Durchschnittstemperaturen der letzten Jahre steigen, desto weniger effizient fällt der PUE des RZ Wankdorf (und aller anderer RZ) aus.

Effizientestes Rechenzentrum von Swisscom

Swisscom Rechenzentrum Wankdorf Effizienz - PUE

Ein Standard-RZ in Europa (rechts) ist verglichen mit einem modernen RZ (links) viel unrentabler wegen sehr hoher Kühlkosten (Cooling). (Swisscom)

Wichtiger für den effektiven PUE ist die Auslastung der Server, werden sie zuwenig genutzt, müssen die andern Infrastruktur-Geräte trotzdem laufen; dann verschiebt sich das Verhältnis zwischen Rechnerstrom und den umliegenden Verbrauchern und verschlechtert den PUE. Derzeit liegt der reale PUE der Swisscom-RZ bei 1,5. Den Tiefstand von PUE 1,3 wird laut Lehmann voraussichtlich erst 2018 erreicht, sobald die Rechner alle ideal ausgelastet sind.

Der Stromverbrauch ist zu 100 Prozent erneuerbarer Energie, zertifiziert von der Stiftung «Myclimate». Dies bezeugen den Einsatz von Swisscom, die Natur möglichst wenig zu belasten. Dazu kommen folgende ISO-Zertifikate von SGS: ISO/IEC 20000 und 27001; ISO 9001 und 14001.

 (Marco Rohner)

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Marco Rohner
Journalistischer Unternehmer der neu erfindet, wie Geschichten in einer allzeit verbundenen Welt erzählt werden. Er ist Herausgeber von Greenbyte.ch, dem weltweit exklusiven Online-Magazin über den nachhaltigen Nutzen von Informationstechnologie, gegründet im Jahr 2011 und 500'000 Leser in den ersten drei Jahren erreicht.