Internet der Energie: Realität oder Utopie?

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Die Stiftung The Ark hat die jährliche Tagung in Siders über das Internet der Dinge durchgeführt. Mehr als zweihundert Personen aus der ganzen Schweiz waren Ende Januar dabei, um Spezialisten aus der ganzen Welt über das Thema Internet der Energie referieren zu hören.

Smart-Grid-Solar Bahrain

In Bahrain entstehen Smart Grid und die ersten Solarkraftwerke des Landes mit kabelloser Netztechnologie von Petra Solar. (pd)

«Der energetische Übergang ist eine industrielle Revolution, die wegen der Klimaveränderungen unter Zeitdruck stattfindet und eine Konvergenz der Informations- und Energietechnologien erfordert», meint Patrice Geoffron der Universität Paris-Dauphine. Der Energieverbrauch wird in den kommenden Jahren weltweit um ein Drittel steigen, vor allem in Schwellenländern. Die CO2-Erzeugung kann dennoch durch die Kombination aus erneuerbaren Energien, «sauberen» Fossil-Energien und energetischer Effizienz reduziert werden.

Die Vereinigten Staaten haben vor, in absehbarer Zeit energetisch vollkommen autonom zu sein. Dagegen werden die EU, China, Indien und Japan in den 20 kommenden Jahren immer mehr Fossil-Energie importieren müssen. Die kohlenstoffarmen Technologien sind leider zurzeit noch nicht konkurrenzfähig und müssen demzufolge noch von den Staaten gefördert werden (Forschung, Steuermassnahmen, Unterstützung). 2050 werden die intermittierenden Energien (Sonne, Wind) bis zu 30 Prozent des Bedarfs beitragen. 

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Sehr viel kann auf dem Gebiet der Energieeffizienz geschehen, sowohl bei der Erzeugung von Strom wie bei den grössten Verbrauchern, Transport, Industrie und Gebäude. Der grösste Gewinn käme von einem massiven Übergang auf elektrische und hybride Automobile. Das heutige «Informationssystem» der Energiebranche, es beschränkt sich auf das Ablesen von Zählern, ist ungeeignet in einer neuen dezentralisierten Welt mit intermittierenden Energieerzeugern, neuen Weisen Energie zu konsumieren und modulierbaren Verbrauchern. In intelligenten Energienetzen (Smart Grids) findet man neben den herkömmlichen Energieerzeugern und -verbrauchern auch Verbraucher, die zeitweise Energie ins Netz speisen. Dazu kommen noch Energiespeichereinheiten. Eine wesentliche Rolle spielt die Netzverwaltungszentrale, die dauernd mit allen Objekten im Netz kommuniziert, um Angebot und Nachfrage auszugleichen.

Enernet: Vereinigung von Numerik und Energetik

SG Ready-Logo für Wärmepumpen

Inspiriert vom HDTV-Markt mit HD-ready, erhalten Wärmepumpen nun Logos für Smart-Grid-ready. (pd)

Joël de Rosney, Forscher und Futurist, spricht von «Enernet», die Vereinigung von Numerik und Energetik. Die zwölf heute bekannten erneuerbaren Energiequellen müssen intelligent kombiniert werden, um die intermittierenden Quellen (Sonne, Wind) durch die konstanten zu ergänzen. Intelligente Energie-Verteilungsnetze müssen zu jeder Zeit Angebot und Nachfrage ausgleichen. Ebenso wichtig ist die Energieeffizienz aller Objekte im Netz und Berücksichtigung aller Einsparungsmöglichkeiten. Weder unsere Regierungen noch die ökologischen Bewegungen haben die Wichtigkeit dieses kombinierten Ansatzes voll verstanden. Die Interaktivität vom Internet kann als Modell dienen: die passive Stromübertragung von Zentrale zu Verbraucher ist ein veraltetes Modell: das System muss sich heute jederzeit dynamisch an die Gegebenheiten anpassen.

Das Enernet wird für die Gesellschaft noch wichtiger als das Internet und zu einer energetischen Demokratie führen. Es wird Häuser, Quartiere, Städte mit positiver Energiebilanz geben. Verbraucher werden Energie unter sich austauschen. Elektrische Autos werden, in der Garage stehend, bei Bedarf die Energie der Batterien ins Netz zurückspeisen. Windmühlen werden Wasser in Reservoirs pumpen um später Strom zu erzeugen. Solar-Energie kann Wasserstoff produzieren, der dann in Elektrizität umgewandelt werden kann. Es gibt unzählige Möglichkeiten, lokal Energie zu speichern. Intelligente Zähler, zum Beispiel auf Smartphone oder im Auto, werden erlauben, den Verbrauch optimal zu steuern.

De Rosnay leitet zurzeit das Pilotprojekt «Smart Mauritius», das dem Inselstaat und seinen Einheimischen totale Energieautonomie gewähren soll.

Bring deine Energie

Michel Hsieh von der UC Berkeley Extension spricht von «consumerization von smart energy» und «BYOE» (Bring Your Own Energy). Der «Consumer» erzeugt auch selbst Energie und wird zum «Prosumer». Plug and play: alle werden an der Smart Grid angeschlossen, sollen aber auch smart spielen. Wenn zu viele produzieren, steigt die Spannung auf dem Netz, wenn zu viele konsumieren, sinkt sie. Verbrauchsspitzen sind teuer und müssen soweit wie möglich vermieden werden. Energiemonopole einzelner Lieferanten werden heute nicht mehr toleriert. Jeder soll in der Lage sein, Energie auch von Privaten zu kaufen oder an Dritte zu verkaufen. Ein Verbraucher mit eigener Zentrale als kleines Netz nennt man auch «Micro Grid». Hsieh bringt als Beispiel einen Waldbrand in Südkalifornien mit Ausfall eines Elektrizitätswerkes: die UC San Diego schickte Personal und Studenten nach Hause und speiste den Strom der eigenen Zentrale in das öffentliche Netz.

Faktor Mensch

«Wie integrieren wir den Mensch in diese Rechnung?» Dies fragt Justin Segal, Gründer von Simple Energy: «Für die meisten ist Energie überhaupt kein Thema. Wie können wir das ändern? Ein paar Dollars mehr oder weniger auf der Stromrechnung werden das nicht ändern. Informieren genügt nicht, wir müssen motivieren.» Simple Energy hat zu diesem Zweck in den Staaten mit Erfolg Spielstrategien angewendet, zum Beispiel Wettbewerbe durchgeführt mit grossen Preisen wie iPads oder Unterstützung von Schulen.

Kommentar

Energiedemokratie? Wie schön! Aber wer in unserem kleinen Land hat wirklich Interesse daran? Sicher nicht die Kantone und Gemeinden, denen die Energiewerke und -Verteiler ja gehören, weil dadurch Macht und Einnahmen wegfallen könnten. Der Geldbeutel, auch derjenige der öffentlichen Hand, ist bei uns eben immer noch viel wichtiger als Sorgen um die Nachhaltigkeit und Schutz der Umwelt.

(Jean-Luc Perrenoud)

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Jean-Luc Perrenoud
Jean-Luc Perrenoud promoviert 1968 in Kernphysik an der ETH, betreibt anschliessend Forschung und Lehre an der UCLA und am California Institute of Technology. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz wechselt er zur Informatik als Leiter der Systemgruppe in zwei Unternehmen. Seit 1978 ist er selbständig erwerbend und auf Software-Entwicklung spezialisiert. Seine Kurse über Programmierungstechnologie, Datenbankdesign und Objektorientierung auf Französisch, Deutsch und Englisch organisiert er in ganz Europa und in den USA. Während mehrerer Jahre ist er Mitglied der SIZ-Prüfungskommission. Seit 1990 als Freelance IT-Journalist tätig.
Jean-Luc Perrenoud

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