K O M M E N T A R – Die ICT-Infrastruktur der Schweiz muss erneuert werden. In den letzten Jahren sank die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes im internationalen Vergleich laufend. Bauvorschriften stehen dem schnellen Ausbau im Weg.
Überdurchschnittlich hohe Strahlungsgrenzen für Mobilfunkantennen belasten nicht nur die Netzbau-Unternehmen mit höheren Kosten für mehr Standorte, sondern auch die Umwelt mit höherem Baubedarf für ein dichteres Netz. Die Nutzer bezahlen diesen Missstand mit hohen Gebühren und Stau im Datenverkehr des überlasteten Mobilnetzes. Trotz kommender Versteigerung des LTE-Frequenzbandes in diesem Jahr wird das Mobilnetz weiterhin lange Wartezeiten garantieren. Smartphones, Tablets und Notebooks sowie der steigende Bedarf nach Cloud Computing überfluten die Mobilnetze schneller, als ausgebaut werden kann. Ausserdem lässt mit zunehmendem Abstand zur Antenne auch die Bandbreite nach.
Schwacher Wettbewerb im Abo-Dschungel
Dass wir alle, die Nutzer von Geschäfts- und Privatanschlüssen, nicht schon längst gemeinsam für bessere Verbindungen plädieren, liegt zu einem grossen Teil an undurchsichtigen Paketangeboten, die einen schwachen Wettbewerb noch zusätzlich abschwächen. Beim Abschluss von Knebelverträgen von 12 oder 24 Monaten wird das Blaue vom Himmel versprochen. Uns werden mehr Leistungen untergejubelt, die wir nicht brauchen. Ein simples Beispiel: Auf Gratis-SMS für Smartphones kann ich verzichten – für Textnachrichten gibt es im 21. Jahrhundert Twitter und Whatsapp. Skype, Blackberry und Facebook-Messenger lassen SMS genauso sterben wie Handys mit Zehnertastatur und Bildschirm im Briefmarkenformat, die bei Jung und Alt Kopfschütteln auslösen. Ein weiteres Beispiel: Für ein zusätzliches Business-Mobilfunk-Abo bekommt man heute gratis Festnetz-Minuten dazu. Welches Kundenbedürfnis damit bedient wird, erschliesst sich frühestens auf den zweiten Blick.
Provider mit schlechtester Kundenzufriedenheit erhöhen Preise
Nicht nur die hohen Gebühren im Schweizer Mobilnetz sind Klagen auf hohem Niveau. Eine Kunden-Zufriedenheitsumfrage von Comparis hat wenig Erstaunliches nochmals bestätigt. Mit den neuen Tarifplänen von Sunrise bezahle der Kunde häufig mehr als früher. Bei Orange führe der neue Minutentakt ebenfalls zu erheblichen Erhöhungen. Bei der Umfrage unter 5’200 Handynutzern schnitten Sunrise und Orange am schlechtesten ab. Die Gewinner seien ausgerechnet die Preisgünstigsten: Aldi, Migros und Yallo. Laut Comparis-Hochrechnung würden die Schweizer Privatnutzer 2,3 Milliarden Franken mit dem jeweils günstigsten Anbieter sparen. Noch eine Milliarde Franken würde übrig bleiben, wenn das passendere Abo oder Prepaid-Modell des gleichen Anbieters genutzt würde. Ein Anruf im Call-Center genüge laut Ralf Beyeler, Comparis’ Telekomexperte. Man könnte auch fragen, ob bei den Milliarden an Sparpotential die gratis Festnetz-Minuten miteingerechnet seien?
Doch die hohen Preise sind nicht das einzige Problem. Das schlechtere Netz anderer Anbieter ist bei 28 Prozent der Befragten der Grund zum Bleiben und 26 Prozent wechselten wegen «Unzufriedenheit aus technischer Sicht». Für 54 Prozent der Befragten von Comparis ist somit die Qualität des Mobilfunknetzes die Entscheidungsgrundlage. Leser von Greenbyte.ch beklagen sich über schlechte Verbindungen des Schweizer Netzes im Vergleich zum Ausland und über fehlende Abdeckung in Zügen – Reisende der 1. Klasse ausgenommen. Auf den wichtigsten Zugstrecken zwischen Bern, Zürich und St. Gallen kommt es auch 2012 zu Unterbrüchen. Das stört den Arbeitsfluss auch ohne intensive Nutzung von Cloud-Diensten.
Mobilfunk-Offload auf WLAN
Die Schweizer sind mit dem überlasteten Mobilfunknetz nicht alleine: Auch in anderen Ländern Europas ist das Problem bekannt. In Grossbritannien beispielsweise schafft Provider BT Abhilfe mit zusätzlichen freien WLAN-Hotspots. Gegenüber Greenbyte.ch nannte ein Cheftechniker einen Wert von 30 Prozent Zusatzkapazitäten dank WLAN-Offload. Das ist auch eine nützliche Grundausstattung für hiesige Mobilabos, anstatt unnütze SMS und Festnetzminuten bezahlen zu lassen.
Der Schweiz als Wirtschaftstandort schaden die Missstände eines teuren und unzuverlässigen Mobilfunknetzes. Die europaweit sehr strengen Strahlenschutz-Vorschriften führen zu weiteren Umweltbelastungen durch eine technisch unnötig hohe Anzahl von Mobilfunkantennen. Die Vorschriften wurden ohne wissenschaftlichen Konsens über Schädlich- oder Unschädlichkeit von Mobilfunkstrahlen bestimmt, der bis heute fehlt. Obschon die Schweiz als kleines Land eine grosse Chance hätte, die nötigen Infrastrukturen rasch zu erstellen, fällt sie in der Rangliste der weltbesten Länder stetig zurück. Dies gilt es aufzuhalten, indem wieder vermehrt in Angebote investiert wird, die realen Kundenbedürfnissen entsprechen.
(Marco Rohner)
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Strahlenschutz lähmt Netzreform – Greenbyte.ch http://t.co/GXbBYAf8 #umwelt
Interessanter Artikel zur Unzufriedenheit der Schweizer Mobilfunk-Kunden: http://t.co/tu60bJnT